Assad: Das westliche Projekt ist in Syrien gescheitert

Screenshot der Rede Assads. Video der Nachrichtenagentur Sana auf YouTube.

Der syrische Präsident erklärt in einer Rede zur Zukunft Syriens eine klare "Ostorientierung"

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Es ist ein eklatanter Kontrast. Zwischen dem Papier eines US-Think-Tanks und der Rede Baschar al-Assad zur Zukunft Syriens liegen Welten. Zwar räumt das Atlantik-Council-Papier ein, dass es nicht sicher sei, in welchem Ausmaß die USA am Wiederaufbau Syriens beteiligt sein wird, aber man mahnt dort schon einmal an, dass es prioritär darum gehen müsse, den Fokus auf die syrische Zivilgesellschaft zu richten, um das Land zu "stabilisieren".

Jeder, der lesen kann, weiß, welche Wünsche hinter den Empfehlungen des Atlantic Councils stecken, die Mitwirkung der Zivilgesellschaft an der Regierungsarbeit zu stärken. Der Atlantik Council-Denkbunker ist seit jeher Unterstützer eines Umsturzes in Syrien. So bedeutet der Vorschlag lediglich einen Umweg, um zu bewirken, was auf anderem Weg nicht gelang, die Beschneidung der Macht Assads. Auf lange Frist bleibt es beim Ziel, Assad von der Regierung zu entfernen. Nun halt durch den Aufbau einer Opposition über das Governance-Paradigma.

Ganz anders stellt sich die Lage aus Sicht des syrischen Präsidenten dar. Er ging in seiner Rede am gestrigen Sonntag (auf Arabisch hier, englisch, von der syrischen Nachrichtenagentur Sana zusammengefasst, hier) auf diesen Ansatz ein:

Wir werden es unseren Feinden und Rivalen nicht erlauben, über Politik das zu erreichen, woran sie mit der Unterstützung von Terroristen gescheitert sind. (…) Alles, was mit der Zukunft von Syrien zu tun hat, ist zu 100 Prozent eine Angelegenheit Syriens.

Baschar al-Assad

Manche, wie der syrisch-amerikanische Beobachter Ehsani2, halten die etwa einstündige Rede Assads für eine seiner wichtigsten, weil sie eine Grundausrichtung formuliert, und das angegebene Zitat für einen Schlüsselsatz. Damit, so Ehsani2, könne sich der UN-Sonderbotschafter de Mistura von seinem Posten zurückziehen, die Genfer Gespräche seien nicht mehr sinnvoll, da Assad sich vom Westen und seinen arabischen Verbündeten nicht in die politische Gestaltung hineinreden lassen wolle.

Bulldozer-Politik

Tatsächlich lässt es Assad bei seiner vom TV übertragenen Rede zu einer Konferenz des Außenministeriums nicht an Deutlichkeit fehlen, wenn es um sein Verhältnis zum Westen und dessen arabische Partnern und Erdogan geht. Für die westliche Politik der Einflussnahme in Syrien erhebt er nicht nur den Vorwurf der Unterstützung von Terroristen, er vergleicht sie mit Bulldozern und Schlangen.

Das Ziel sei nicht die Zerstörung Syriens gewesen, auch nicht, in dem zentralen Staat im Nahen Osten Enthauptungs- und Entwurzelungsaktionen durchzuführen, sondern wichtig sei das größere Bild. Dies zeige, dass es die Absicht des Westens sei, die gesamte Region in einer Neuordnung zu unterjochen und die Kontrolle darüber zu erlangen.

Daraus ziehe er die Konsequenzen, dass sich Syrien Richtung Osten orientiere. Dem verräterischen, falschen Westen, der seine Haut je nach Gelegenheit abwerfe wie eine Schlage, stellt er die Solidität der treuen Unterstützung der Freunde Syriens gegenüber Russland, Iran und China. In der Zusammenarbeit mit diesen Ländern liege die Zukunft. Vom Westen verlangt er, dass sie jede Unterstützung für die "Terroristen" aufgebe, ansonsten gebe es keine Sicherheitszusammenarbeit oder die Eröffnung von Botschaften oder überhaupt eine Rolle bei der Beendigung der Krise.

Wie der eingangs genannte Beobachter Ehsani2 hervorhebt, lasse Assad, der in London studiert hatte, erkennen, dass er immer wieder bereit gewesen sei, sich auf eine Kooperation mit dem Westen einzulassen. Assads Hand blieb aus dessen Sicht lange Richtung Westen ausgestreckt. Doch dessen Pläne waren anders geartet - wie schon im Kalten Krieg, in dessen Folge sich Syrien gegen die USA entschied und mit der Sowjetunion kooperierte (eine sehr knappe Zusammenfassung der damaligen Schlüssel-Ereignisse ist bei Joshua Landis zu lesen).

Der Wiederaufbau und Chinas Engagement

Laut Schätzungen von internationalen Organisationen beträgt der Umfang des Wiederaufbaus in Syrien etwa 275 Milliarden Euro, wie AFP berichtet. Bei einer Messe in Damaskus, wo sich Firmen vorstellten, die sich am Wiederaufbau beteiligen wollen, waren eine deutsche Firma (für Abflussrohre) und zwei französische Firmen vertreten, ansonsten vor allem russische und iranische.

Auch China erhofft sich Aufträge. Das Engagement in Syrien geht längst über die von Assad gelobten Vetos im UN-Sicherheitsrat hinaus. Im März schickte Peking einen kleinen Trupp Soldaten nach Syrien, die medizinisch und logistisch beraten sollen. Aufgrund der Islamisten in China und in anderen Teilen Asiens sei dort das Interesse an Vorgängen in Syrien gewachsen, berichtet Middle East Eye. China engagiere sich deutlich prononcierter als früher bei der Konfliktlösung in Syrien.