Benzingetriebenes Herumstreunern in Deutschland

Klartext: Die Lavabombe

Das deutsche Hinterland eignet sich hervorragend, um es per Kraftfahrzeug zu durchstreunern. Vor diesem Hintergrund lässt sich gelassener betrachten, was die Politik vielleicht demnächst alles verbietet

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Klartext 11 Bilder
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Bliebe die Volkswut weiterhin so auf das Thema Motoren fokussiert, man könnte sich durchaus vorstellen, dass unser ewiges Merkel-Kabinett (oder hegen Sie berechtigte Hoffnung auf Änderung?) sich dem beugt und Privatleuten die Verbrennung flüssiger Brennstoffe wirklich untersagt, zumindest in Bewegung. Die Volkswut findet in meiner Erfahrung jedoch jedes Mal schnell ein neues Ziel. Doch spielen wir das Gedankenspiel einmal. Mir würde eines der kleinen Wunder der Mobilität fehlen.

Kürzlich tuckerte ich mit meinem Einzylinder-Motorrad, das in seiner knapp 700 cm3 großen Brennkammer Benzin verbrennt, quer durch Deutschland zum großen Braunkohle-Fördergebiet Garzweiler 2. Da die Deutschen sich vor langer Zeit schon dafür entschieden haben, dass Kohle ihre wichtigste Energiequelle sei, galten den Gerichten die Einwände der Einwohner wenig: Die Energieerzeugung ist gesellschaftlich wichtiger als die Orte, die für den Tagebau abgerissen werden, so die Grundsatzentscheidung noch aus 2013. Über 250 Ortschaften fielen dieser Priorität seit dem Beginn der Braunkohleförderung in Deutschland zum Opfer (ehemalige Ostzone mitgezählt).

Der Braunkohle-Tagebau gehört zu den Dingen, die Bilder nur unzureichend vermitteln. An der Abbruchkante von Garzweiler sitzend schaut das Tagebauloch zunächst klein aus. Das Gehirn denkt es klein, weil es so gleichförmig auf der Netzhaut abbildet, dass jeder Maßstab fehlt. Die Bagger darin sehen aus wie Spielzeuge. Es braucht eine Zeit, bis das Sehzentrum die winzigen Punkte auflöst, die sich neben den Baggern bewegen. Huch! Das sind ja Autos! Dann erst wird klar, dass die vermeintlichen Spielzeuge fast 100 Meter hoch bauen. Es gibt keine größeren Landfahrzeuge. Die Schaufelräder sind gigantisch. Man kann die Maschinen schon von der Autobahn sehen, die übrigens auch abgerissen wird, damit die Bagger weiter fräsen können. In der Leere der Landschaft trägt Schall sehr weit. Das Baggergeräusch liegt als Tonspur unter allem, was passiert. Das moderne Mordor. Fehlt nur noch, dass statt dem einsamen Windrad am Rand ein feuriges Auge die Umgebung nach Menschen absucht, die es dem strengen RWE-Werksschutz melden kann, der einen Ork in einem Dacia Duster vorbeischickt.

Everyday I'm tuckering

Das hier ist auch keine Kritik der Braunkohle als hauptsächlicher Energieträger, da hat der halbe Verlag bereits einen eindeutigen Standpunkt dazu kommuniziert, denke ich. Nein, das hier soll motivieren, sich selbst an die Abbruchkante zu setzen und Braunkohleförderung zu erleben. Reisen bildet. Vielleicht bildet es eine ganz neue Meinung zu Energiethemen. Zu den Förderlöchern gehört auch ein Besuch in den Geisterstädten, die nach und nach abgerissen werden. Respektvoll bleiben: Dort leben bis Ultimo noch Menschen, die nie gehen wollten, aber müssen, damit wir alle abends unsere Smartphones aufladen können.

Nach diesen Eindrücken kehrten wir zurück in die Eifel zur Übernachtung. Der Nürburgring fällt jedem Besucher als offensichtlicher Grund für die Motorvernarrtheit der Region ein. Eine halbe Wahrheit. Die andere Hälfte liegt darin, dass die Eifel eher dünn besiedelt, aber mit toller Topographie gesegnet ist, auf der wunderbare Fahrstraßen verlaufen. Wir finden anderswo im deutschen Hinterland auch Verdichtungen der Motorkultur, wenn die Gegend es hergibt und die Anzahl der Bewohner pro Quadratkilometer unter dem Schnitt liegt. Auf jeden Fall gilt: Wenn du vom Eifeldorf aus abends noch irgendwo hinwillst, dann wirst du das in einem Auto tun.