Wer erhält das Bundesverdienstkreuz?

Bild: C.P. Hermeling/CC BY-SA-3.0

Weshalb die Initiatorin der Klage gegen das Handelsabkommen CETA nach Ansicht von Schwarz-Gelb in NRW nicht ausgezeichnet werden soll

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ab wann macht man sich in Deutschland um Republik und Bürger verdient? Diese Frage bewegt derzeit Oppositionspolitiker und Aktivisten in Nordrhein-Westfalen (NRW). Dort wurde von verschiedenen Seiten die Lüdenscheider Musiklehrerin Marianne Grimmenstein für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen.

Die Nominierte hatte die mit 70.000 Antragstellern größte Verfassungsklage in der Geschichte der Bundesrepublik ins Rollen gebracht – die Bürgerklage gegen das Freihandelsabkommen CETA – und blickt auch darüber hinaus auf eine lange Geschichte des zivilgesellschaftlichen Engagements zurück. Für die NRW-Staatskanzlei genügte das nicht. Grimmenstein komme für das Bundesverdienstkreuz "nicht in Frage", hieß es aus Düsseldorf, wo man sich eine ganz eigene Begründung ausdachte.

Für das Verdienstkreuz vorgeschlagen wurde die Initiatorin der CETA-Klage von einem Aktivisten auf der Plattform change.org, wo sich dem Ansinnen bereits gut 24.000 User angeschlossen haben. Zuvor bereits hatten sich die Linke-Politiker Sahra Wagenknecht, Fabio De Masi und Christian Leye an die Staatskanzlei in Düsseldorf gewandt.

Grimmenstein habe "enormes außerparlamentarisches Engagement" gezeigt und sich um die Demokratie und den Rechtsstaat verdient gemacht, so der Europaabgeordnete De Masi. Immerhin seien in Folge ihrer Initiative sechs Verfassungsbeschwerden mit fast 200.000 Mitklägern eingereicht worden. Wagenknecht erinnerte daran, dass "auch der Deutsche Richterbund die Paralleljustiz der Investitionsgerichte bei CETA ablehnt."

Die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW ließ das unbeeindruckt. Der Verdienstorden der Bundesrepublik werde vom Bundespräsidenten "vor allem für langjähriges ehrenamtliches Engagement verliehen", hieß es aus dem Haus. Einzelne Aktionen würden dagegen "in der Regel nicht mit einem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, auch wenn sie sehr zeitaufwändig seien". Im Übrigen weise man darauf hin, dass Ordensverfahren vertraulich behandelt werden sollten – offenbar eine Reaktion auf die öffentlichkeitswirksame Nominierung Grimmensteins durch die Linken.

Beendet ist die Debatte damit noch nicht. Eine Onlinepetition richtet sich nun direkt an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der SPD-Politiker habe in seiner Antrittsrede daran erinnert, dass Demokratie kein Selbstläufer sei, sondern immer wieder erstritten werden muss. "Marianne Grimmenstein hat genau dies getan und hat den – in Ihrer Antrittsrede geforderten – Mut bewiesen, hat sich nicht von ihrem Weg abbringen lassen und hat Großartiges und Einzigartiges geschaffen", so Initiator Georg-Maria Austermann. So sei vielen Bürgerinnen und Bürgern der Glauben an die Demokratiefähigkeit unseres Gemeinweisens zurückgegeben worden, darauf wiesen die fast 70.000 Mitklagenden hin.

Die Begründung der ersten Ablehnung aus Düsseldorf wird indes zumindest durch die Angaben auf der Seite des Bundespräsidenten nicht gedeckt. Dort heißt es, der seit 1951 gut 255.500 Mal verliehene Verdienstorden werde für politische, wirtschaftlich-soziale und geistige Leistungen verliehen – oder für besonderen Verdienste um die Bundesrepublik Deutschland im sozialen Bereich. Ziel sei es, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf hervorragende Leistungen zu lenken, denen der Bundespräsident "für unser Gemeinwesen besondere Bedeutung beimisst". Die Reaktion aus Schloss Bellevue wird zeigen, inwieweit der Sozialdemokrat Steinmeier sein Amt entsprechend dieses Anspruchs einsetzt.

Grimmenstein selbst reagierte gelassen auf die erste Absage aus Düsseldorf. "Ich habe mit dieser Ablehnung gerechnet und bin überhaupt nicht enttäuscht", sagte sie. Es sei ihr bewusst gewesen, dass man keine großen Verdienste bei den Regierenden erwerben kann, wenn man sich für die Entscheidungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger einsetzt.