Spanien: "Brutale islamophobe Welle"

Vermehrt Angriffe auf Moslems und auf Moscheen und eine massive Hetze im Internet registriert

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Anfeindungen in Spanien und die Angriffe auf Moslems nehmen nach den Anschlägen in Katalonien vor einer Woche zu. Berichtet wird zum Beispiel, dass am Mittwoch in Madrid eine 38-jährige Frau beim Verlassen der Metro angegriffen wurde. Es sollen sich zwei oder drei Angreifer auf sie gestürzt und sie geschlagen und beschimpft haben, hat die Muslimin gegenüber der Stadtpolizei berichtet.

In der Region Valencia trat schon zuvor ein Mann in Puerto de Sagunto auf einen 14-jährigen Marokkaner ein, den er als "Drecksaraber" bezeichnete, ebenfalls ohne jegliche Vorgeschichte. Er hatte extra seinen Wagen gestoppt, um auf den Jungen loszugehen, berichtete die regionale Zeitung. "Hau ab, geh zurück in dein Land", habe der 25- bis 30-Jährige geschrien, sagte der der Polizei. Die sucht den Mann, der dem Jungen auch gedroht hat: "Wenn ich dich nochmal sehe, bringe ich dich um." Er fügte an, "man sollte euch alle umbringen".

Obwohl sich viele islamische Gemeinden und Organisationen von den Terroristen klar und eindeutig distanziert haben und gegen denTerrorismus demonstrieren , versuchen spanische Rechtsradikale, die Anschläge für ihre Hetze zu instrumentalisieren. Es gab schon Angriffe auf Moscheen wie in Granada, Madrid, Sevilla und Logroño.

Anzeige wurde nun gegen die rechtsradikale Organisation "Hogar Social" (Soziales Zuhause) in Granada gestellt, schließlich werden "Hassdelikte" mit bis zu vier Jahren Haft geahndet. Bekannt ist diese Neonazi-Organisation auch durch rassistische Hausbesetzungen. Sie besetzt ausschließlich, um "Spaniern" eine Unterkunft zu bieten. Nach Vorbild der Goldenen Morgenröte Griechenlands verteilt man auch Essen an Bedürftige, aber ebenfalls nur an Spanier.

Die Neofaschisten haben auch schon versucht, mit Versammlungen Sympathisanten zu mobilisieren und neue zu gewinnen, wie in Toledo. Doch das gute Dutzend blieb mit ihrem Transparent allein. Auf dem war zu lesen: "Heute Barcelona, morgen Toledo?" Noch dümmer lief es für sie, als sie dies auch nach den Anschlägen in Barcelona direkt am Anschlagsort versucht haben. Sie kamen nicht durch. Zahllose Bürger riefen ihnen "Nazis raus" entgegen und gruben den Slogan aus dem Bürgerkrieg aus: "No pasarán" (Sie werden nicht durchkommen). Aufnahmen zeigen, wie sie von der Menge vertrieben wurden.

Doch vor allem das Internet bietet Rassisten aber einen breiten Raum für ihre islamophobe Hetze. So hat die "Plattform gegen Islamophobie" eine "brutale islamophobe Welle" festgestellt. Deren Sprecher Esteban Ibarra, einst in der Franco-Diktatur politischer Gefangener, spricht von "sehr brutalen und sehr massiven Angriffen", die sofort nach den Anschlägen in sozialen Medien lanciert worden seien. Es sei deutlich schlimmer als 2004, nachdem in Madrid 191 Menschen ermordet worden waren.

Ibarra glaubt, damals hätten viele im Land einen Zusammenhang zum illegalen Krieg in Irak hergestellt, in den die rechte Volkspartei (PP) das Land gegen den Willen der Bevölkerung geführt hatte, die sich massiv mit Demonstrationen gegen den illegalen Feldzug stemmte, der von 90% abgelehnt wurde. Damals sei deshalb vor allem die Politik aufs Korn genommen worden, heute sei es aber der Islam, meint Ibarra. Es habe auch damals Islamophobie gegeben, aber nicht in dem Ausmaß wie heute.

Der Philosoph Santiago Alba Rico, der ein Buch zum Thema verfasst hat, geht davon aus, dass die rechtsradikale Hetze bei etlichen Menschen gegriffen habe, die einen Zusammenhang zwischen den islamistischen Anschlägen und Flüchtlinge herstelle. Der Boden sei bereitet. Die Welle habe gerade erst begonnen. "Dahinter stehen organisierte faschistische und rassistische Strukturen", warnt Ibarra. "Wir dürfen keinen Millimeter angesichts dieser islamophoben Dynamik nachgeben, da damit der Dschihadismus genährt wird", erklärt Rico. Er meint, so würden die Pfeiler des Zusammenlebens zerstört.