Netzfragen zur Bundestagswahl: Facebook hat Fake News "absolut unterschätzt"

Lars Klingbeil. Bild: Tobias Koch

Im Interview verrät der netzpolitische Sprecher der SPD Lars Klingbeil die Position seiner Partei zur Vorratsdatenspeicherung, der Debatte über Fake News und warum er beim Staatstrojaner sogar gegen seine eigene Partei gestimmt hat

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Auch bevor Lars Klingbeil 2009 in den Bundestag gewählt wurde, war er politisch aktiv. Seit 2001 ist er im Stadtrat Munster aktiv, 2006 tritt er schließlich dem Kreistag Heidekreis bei. Der Politikwissenschaftler, mit zusätzlichem Studium im Bereich Soziologie sowie Geschichte, engagiert sich gleich zu Beginn seiner Karriere in Berlin im Verteidigungsausschuss und entdeckt die Netzpolitik für sich. In der zweiten Legislaturperiode 2013 wird Klingbeil Chef der SPD-Abgeordneten aus Niedersachsen und Bremen im Bundestag.

Seinen netzpolitischen Schwerpunkt führt er dieses Jahr mit dem Wahlprogramm fort, für das Lars Klingbeil unter anderem den Baustein Digitalisierung erarbeitet hat. Im Gespräch mit Moritz Krauß und Roman van Genabith erläutert er, was für die netzpolitische Zukunft wichtig ist.

Wie viele Parteien hat die SPD in ihrem letzten Wahlprogramm die gesetzliche Festlegung der Netzneutralität versprochen. Nachdem diese von den europäischen Regulierungsbehörden im vergangenen Jahr abgesichert wurde, dürfte das Mehr-Klassen-Netz dieses Jahr kein Thema mehr für ein Wahlversprechen sein, oder doch?

Lars Klingbeil: Der Erhalt eines freien und offenen Netzes bleibt auf der Agenda, weil Netzneutralität die Grundlage für Teilhabe und für Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit ist. Die SPD wird dies auch in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017 deutlich festschreiben.

Die Netzneutralität ist derzeit dennoch gefährdet - in mehrfacher Hinsicht. Wie bezieht die SPD Stellung dazu und sind Sie der Meinung, dass das "deutsche Internet" überhaupt davon betroffen ist?

Lars Klingbeil: Im Herbst 2016 hat das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (BEREC) die finalen Leitlinien zur Netzneutralität veröffentlicht, die die Auslegung der europäischen Vorgaben konkretisieren sollen. Diese BEREC-Leitlinien zur Netzneutralität sind aus meiner Sicht ein guter Kompromiss, der innovations- und wettbewerbsschädlichen Praktiken starke Grenzen setzt und zugleich den Telekommunikationsunternehmen ausreichend Spielraum lässt, ihre Netze zu optimieren. Überholspuren nach Zahlungsbereitschaft wird es so nicht geben. Sollten sich Verletzungen des Prinzips der Netzneutralität ergeben, werden wir auf europäischer Ebene nachsteuern müssen.

Insider stehen StreamOn von der Telekom äußerst kritisch gegenüber, da die neue Option in gewisser Weise gegen die Netzneutralität verstoßen würde. Wie stehen Sie dem halbwegs unlimitierten "Surfgenuss" gegenüber?

Lars Klingbeil: Also wir haben da als Fraktion ja auch unsere Bedenken geäußert. Es gab gestern eine Sitzung des politischen Beirates der Bundesnetzagentur. Dort ist auch noch einmal verabredet worden, dass die Netzagentur StreamOn überprüfen wird, ob es gegen die Kriterien der Netzneutralität verstößt.

Und die SPD selber ist dann auch kritisch gegenüber dem StreamOn-Angebot?

Lars Klingbeil: Wir können als Partei ja nicht beurteilen, ob es das ist oder nicht. Wir haben darauf gedrängt, dass die Bundesnetzagentur dieses Angebot entsprechend der Kriterien der Netzneutralität überprüft.

Das tut sie doch aber schon seit einer längeren Zeit? Zumindest war das so berichtet worden.

Lars Klingbeil: Genau, aber noch einmal: Gestern war der politische Beirat, und da ist das von dem Beirat auch noch einmal gesagt worden. Wie das Verfahren genau innerhalb der Bundesnetzagentur läuft, das weiß ich nicht. Aber wie gesagt, der Beirat tagt, glaube ich, drei Mal im Jahr, da ist das noch einmal von politischer Seite bekräftigt worden.

Die amerikanische Regierung ist, mal wieder, anderer Meinung. was die Netzneutralität anbelangt und möchte zu einem "freien und offenen Internet" zurückkehren, wie es Ajit Pai nannte. Was möchte die SPD dagegen unternehmen und welche Risiken drohen dem europäischen Netz?

Lars Klingbeil: Naja, wir müssen als Europäer erst einmal unsere Position, die wir verabschiedet haben, verteidigen und das war natürlich mit dem Präsidenten Obama einfacher über solche Sachen zu reden, als es mit der Trump-Administration der Fall ist. Ich kenne bisher nur politische Äußerungen, ich kenne keine Beschlüsse aus den USA, aber klar ist, dass Europa an der Stelle kämpfen muss und dass Europa sich deutlich positioniert hat - und das auch im Diskus mit den USA deutlich herausstellen muss.

Sehen Sie signifikante Vorteile einer priorisierten Datenübertragung für bestimmte Dienste?

Lars Klingbeil: Nein, ich sehe signifikante Vorteile im festgeschriebenen Grundsatz der Gleichbehandlung aller Daten im offenen Netz.