Schlechtes Zeugnis für vorhersagende Polizeiarbeit

Bild: Dominik Gerstner/Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht

Das Freiburger Max-Planck-Institut sieht keinen Beleg für Wirksamkeit von Predictive Policing bei Wohnungseinbruch. Nächstes Jahr soll eine weitere Studie aus Hamburg vorliegen

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Nachweise dafür, dass das sogenannte "Predictive Policing" zur Senkung von Kriminalität in einem gewissen Gebiet führt, gab es bisher in Deutschland nicht. Zwei Untersuchungen sollen hierzu Licht ins Dunkel bringen: Eine "Studie neuer Technologien zur Vorhersage von Wohnungseinbruchdiebstählen und ihrer Folgen für die polizeiliche Praxis" wird derzeit an der Universität Hamburg erarbeitet, das Projekt endet jedoch erst im Dezember 2018. Mittlerweile fertiggestellt ist die Evaluierung eines Predictive Policing-Projekts in Baden-Württemberg durch das Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht.

Effekte höchstens im "moderaten Bereich"

Die am Mittwoch offiziell vorgestellte Untersuchung begleitete ein Pilotprojekt der Polizei Baden-Württemberg unter Leitung des Stuttgarter Landeskriminalamts. Genutzt wird dort die Software PRECOBS des Instituts für musterbasierte Prognosetechnik. Die Firma hat ihren Sitz in Oberhausen.

PRECOBS basiert auf der "Near-Repeat-Theorie". Ähnlich wie bei der "Broken-Windows-Theorie" wird dabei angenommen, dass auf frühere Straftaten in einem bestimmten Zeitraum weitere folgen könnten. Daten zu Tatort und -zeit, Beutegut und Vorgehensweise werden deshalb nach einem bestimmten Verfahren (Scoring) gewichtet und einer Wahrscheinlichkeitsberechnung für weitere Taten unterzogen. So sollen Muster erkannt und Serientäter aufgespürt werden.

Die sechsmonatige Evaluationsphase in Baden-Württemberg endete bereits am 30. April 2016. Dem erst jetzt vorliegenden Abschlussbericht zufolge ist es weiterhin "schwer zu beurteilen", ob die Software PRECOBS zu einer Verminderung von Wohnungseinbrüchen und zu einer Trendwende in der Fallentwicklung beitragen kann. Die "kriminalitätsmindernden Effekte" lägen nur in einem moderaten Bereich und könnten allein durch Predictive Policing nicht deutlich reduziert werden.

Auch unter Beamten umstritten

In einigen Gebieten des Pilotprojekts nahm die Zahl der Wohnungseinbrüche ab, in anderen gab es Zunahmen. Die meisten Vorhersagen betrafen zudem städtische Gebiete, die höhere Einbruchsraten und damit auch mehr statistische Daten mitbringen. Den Nutzen für ländliche Gebiete sieht die Evaluationsstudie deshalb kritisch. Insgesamt wurden in den sechs Monaten 183 Alarme verarbeitet, wovon vor allem die großen Städte Karlsruhe, Pforzheim und Stuttgart betroffen waren.

Das Programm PRECOBS wird in der Studie als "benutzerfreundlich" bezeichnet, allerdings seien zu Beginn "Schwierigkeiten" aufgetreten. Im Verlauf des Pilotprojekts habe die Software unter anderem Beziehungstaten als "falsche Alarme" erkennen können.

Unter Polizeibeamten ist PRECOBS trotzdem umstritten. Das Max-Planck-Institut führte hierzu eine Online-Befragung unter 700 Polizisten durch. Im Ergebnis habe sich gezeigt, dass der Einsatz der Software innerhalb der Polizei "stark polarisiert hat". Nur rund die Hälfte der Befragten sehe darin ein erfolgversprechendes Modell, die andere Hälfte lehne das Verfahren ab.