Macron auf PR- und Einkaufstour in Griechenland

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Der französische Staatspräsident hält in Athen Reden, die an Berlin gerichtet sind

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Mit einer großen Ehre wurde der französische Staatspräsident Emmanouel Macron in Athen bedacht. Er durfte von der Geburtsstätte der Athener Demokratie aus, der Pnyx, eine Rede halten. Hier hatte einst Perikles die Demokratie begründet. Von hier wollte Macron rhetorisch die Neugründung der Europäischen Union heraufbeschwören. Der Kontrapunkt zur in der Heimat sinkenden Beliebtheit, sollte zur so genannten blauen Stunde, dem Einbrechen der Dämmerung über der griechischen Hauptstadt, gesetzt werden. Eine Rede in der Pnyx, ein Privileg, welches zum Beispiel der Bundeskanzlerin Angela Merkel niemals zu Teil werden wird, sollte ein Höhepunkt in der noch kurzen Karriere Macrons werden.

Macron vor der beleuchteten Akropolis und dem dunkelblauen Abendhimmel Athens. Dazu die Lichter der Athener Häuser und Straßen, welche langsam angehen und das Ambiente wie einen aufgehenden Sternenhimmel erscheinen lassen. Der aufgehende Mond, einen Tag nach dem Vollmond, sollte den Rest der Beleuchtung liefern. Dazu dann eine Grundsatzrede zur demokratischen Neugründung der EU - für jeden europäischen Politiker ein Traumszenario.

So war es Macrons ausdrücklicher Wunsch. Der Franzose setzte sich auch über Sicherheitsbedenken hinweg, welche beim Besuch des US-Präsidenten Barack Obama ein ähnliches, geplantes Schauspiel in letzter Minute verhinderten.

Die Inszenierung klappte nur teilweise. Denn, wie es in Athen üblich ist, können Termine in der Regel nicht eingehalten werden. Für die ersten Minuten der Verzögerung hatte Macron selbst gesorgt. Als er mit seinem Jet am internationalen Flughafen von Athen, Eleftherios Venizelos, ankam, dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis alle Kleidungsstücke des Präsidentenpaars von den Helfern aus der Maschine getragen wurden. Das Programm verzögerte sich weiter, vor allem, weil alle beteiligten Protagonisten lange Reden hielten. Der erste Tagesordnungspunkt war die übliche Kranzniederlegung am Grab des unbekannten Soldaten, direkt danach besuchte Macron sein griechisches Pendant.

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Der griechische Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos begrüßte seinen französischen Amtskollegen mit einer Ordensverleihung und einer langen Rede über die Vorzüge eines geeinten Europas. Er mahnte die europäische Gemeinschaft, die gegenüber Athen geleisteten Versprechen zu erfüllen. "Pacta sunt servanta", Verträge müssen eingehalten werden, einer der Lieblingssprüche des Staatsrechtsprofessors Pavlopoulos fand erneut Verwendung. Pavlopoulos redet nicht nur gern, sondern auch immer sehr langatmig. Die Zeitplanung des Besuchsprogramms wurde erneut gesprengt.

Macron stand seinem Vorredner in nichts nach. Er bemängelte, dass Europa seine Grundwerte zu verlieren drohe. Hinsichtlich des Internationalen Währungsfond, der innerhalb der Eurozone bei allen Rettungsprogrammen beteiligt war, sprach Macron von einem Fehler. Der IWF solle sich mit seinen Forderungen zurückhalten, beschwor er.

Der französische Präsident, dem eine Eurozone mit eigenem, für alle Staaten zuständigen Finanzminister vorschwebt, vergaß ebenso wie Pavlopoulos nicht darauf zu verweisen, dass über die Verträge des Euros hinausgehende Haushaltsüberschüsse und innergemeinschaftliche Exportrekorde nicht beschnitten werden, während Defizite umso härter bestraft werden. Zur Rettung der Demokratie würden beide Politiker gern eine parlamentarische Kontrolle der Eurozonenverwaltung sehen.

Beide Reden hatten einen eindeutigen Adressaten: Berlin. Macron, in dessen Gefolge vier Dutzend französische Investoren Athen besuchten, verwies auch darauf, dass seine Landsleute Griechenland in guten und schlechten Zeiten bestehen würden, und ihre Investitionen auch in der Krise nicht zurückgezogen hätten.

Der Franzose ist bei seinem ersten offiziellen Auslandsbesuch auch auf Einkaufstour gegangen. Seine Investoren sind an kommunalen Wasserwerken, Häfen und auch an einer Bank interessiert. Nach dem Besuch beim präsidialen Kollegen ging Macron in der Herodes Attikus Straße vom Präsidentenpalast zur nächsten Ecke, dem Megaron Maximou, dem Amtssitz des griechischen Premierministers.

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Nach dem obligatorischen Fototermin zogen sich Macron und Tsipras zu einem langen Gespräch zurück. Erneut wurde die Zeitplanung weiter strapaziert. Bei der anschließenden Pressekonferenz musste sich Macron zusätzlich zu den üblichen Fragen zur Krise des Euros und des griechischen Dramas auch mit den Folgen des Hurrikans Irma auseinandersetzen. Der Präsident begründete, warum er nicht zur verwüsteten französischen Kolonie in der Karibik gereist war, sondern am Besuchsprogramm in Athen festhielt. Eine Reise in die Karibik, so Macron, sei aus Wettergründen nicht möglich, beschied er.

Tsipras und Macron lieferten in ihren Statements eine Neuauflage der Reden im Präsidentenpalast. Direkt im Anschluss an die Pressekonferenz eilten sie nach einer kurzen Pause zur Pnyx, wo sie gut zwanzig Minuten zu spät ankamen. Macron hatte die 500 Meter von Tsipras Amtssitz zur französischen Botschaft, wo er sich kurz frisch machte, per Pedes zurückgelegt. So etwas sind die Griechen, deren Regierungsmitglieder außer dem früheren Finanzminister Yanis Varoufakis, nur in Staatskarossen unterwegs sind, nicht gewohnt.