Parolen, Plakate - und Probleme

Parodie der I-Love-Merkel-Kampagne in Sozialen Medien

Teil 1: Die CDU im Wahlkampf

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Wahlkämpfe werden traditionell nicht nur mit Plakaten geführt, sondern auch mit Parolen und Versprechungen. Ob diese Versprechungen später eingehalten werden, ist eine andere Frage, wie ein viraler satirischer Vergleich zwischen dem 1. April und dem Wahltag illustriert.

Gestern erregte beispielsweise Innenminister Thomas de Maizière von der CDU viel Aufsehen mit der gegenüber der Rheinischen Post abgegebenen Äußerung, die in der Bundesrepublik gewährten Leistungen für Asylbewerber seien "im EU-Vergleich ziemlich hoch", was einen "Teil des Sogeffekts nach Deutschland" erkläre. Deshalb sollte man sie seinen Worten nach ebenso wie die Asylverfahren und den Rechtsschutz dazu europaweit vereinheitlichen. Unterschiedlich hohe Lebenshaltungskosten könnten dann mit "entsprechenden Kaufkraftzuschlägen für einzelne Staaten" ausgeglichen werden.

Obwohl offen ist, wieso de Maizière dazu nicht bereits in der Vergangenheit sichtbare Schritte unternahm, beeindruckte diese Forderung des Innenminister den SPD-Kanzlerkandidaten Martin anscheinend so sehr, dass dieser unmittelbar darauf verlautbarte, er sei "seit jeher dafür" gewesen. Aber auch in Schulz' politischer Biographie findet sich - abgesehen von einer allgemeinen Befürwortung europäischer Vereinheitlichung - wenig, was auf ein konkretes Verfolgen dieses Ziels hindeutet.

Ziemlich eindeutig unter die Kategorie "Fake News" fällt de Maizière vorher gegenüber der Passauer Neuen Presse getätigte Behauptung: "Wer mit einem Schlepper nach Europa kommt, hat keine Perspektive, in Europa zu bleiben." Der Politikwissenschaftler und Historiker Ismail Küpeli meinte dazu auf Twitter nur: "Der Bundesinnenminister hat offensichtlich andere Gesetzesbücher als der Rest der Republik."

Keine Koalition mit den Grünen?

Mit einem Haltbarkeitsdatum versehen sein könnte auch die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) übermittelte Äußerung des stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Armin Laschet, es könne mit den Grünen "keine Zusammenarbeit geben", wenn diese "gegen den Industriestandort Deutschland, gegen moderne Dieseltechnologie, gegen den Verbrennungsmotor als Ganzes" agitierten. Diese "Irrationalität", so der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, "die Cem Özdemir auch noch zur Koalitionsbedingung gemacht hat", sorge dafür, dass es zum jetzigen Zeitpunkt keine schwarz-grüne Koalition im Bund geben könne. Ein "jetziger Zeitpunkt" kann aber schnell vorbei sein. Zum Beispiel dann, wenn es nach der Wahl für eine Mandatsmehrheit von CDU, CSU und FDP nicht ganz reicht.

Eher zurückhaltend mit Versprechungen ist im Vergleich dazu die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihren Zuhörern in Neustadt an der Weinstraße am Donnerstag die nicht ganz eindeutige Botschaft übermittelte: "Ok, das ist Demokratie - aber wir haben ein anderes Angebot." Ihr größtenteils vom Steuerzahler bezahlter Hubschrauber, mit dem sie ihre Wahlkampftour absolviert, beschäftigt nach mindestens einer Strafanzeige wegen Untreue auch die Polizei.

Ob Merkel die Auftritte, die sie absolviert, wirklich nützen, ist angesichts mehrerer Reaktionen in Ost und Westdeutschland offen: Auf Twitter scherzt man dazu: "Nachdem Merkel mit Lebensmittel beworfen wurde, will nun Peter Altmaier ihre übrigen Kundgebungen übernehmen - gerne auch Schnitzel statt Tomaten." Altmaier hatte am 8. September kein unbedingt glückliches Händchen bewiesen, als er twitterte, die EU sei "das Beste, was unseren Ländern seit 200 Jahren passiert ist", worauf hin der Twitter-Star Frank Covfefe meinte: "Das Beste war der Sieg gegen Hitler - aber das sehen wohl nicht alle so." Ähnlich negative Reaktionen gab es auf Peter Taubers Versuch, CDU-Lauftreffs zu organisieren, nachdem die Leipziger Polizei vorher Frauen gewarnt hatte, alleine zu joggen.

Eine Atempause bis nach dem Wahlkampf verschaffte Merkel dagegen das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, das Abgeordnetenwatch.de in einem seit 2015 laufenden Verfahren mit dem Aktenzeichen OVG 11 S 49.17 das Recht auf eine schnelle Auskunft zu Treffen der Kanzlerin mit Lobbyisten absprach, weil es die Site nicht als journalistisches Medium betrachtet. Konkret geht es dabei um Veranstaltungen wie die 2008 im Kanzleramt abgehaltene Geburtstagsfeier des ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann, die kein Einzelfall gewesen sein könnte.

Mit anderen Promis macht die CDU bundesweit für die Bundeskanzlerin Werbung: Zum Beispiel mit ihrem Friseur Udo Walz (der sagt, er "vertraue ihr"), mit dem Albinomusiker "Heino" (der ihre "geradlinige Haltung" lobt), mit dem Bodybuilder Ralf Moeller (der meint, durch sie sei "das Ansehen Deutschlands […] gestiegen") und mit der Degeto-Schauspielerin Sophia Thomalla, zu der man in Sozialen Medien meint: "Man kann ihr keinen Vorwurf machen - sie hat vermutlich gar nicht verstanden, worum es geht."

Böhmermann mahnt Merkel ab

Der Entertainer Jan Böhmermann, der sich 2016 an politischer Satire versuchte, platzierte dagegen einen juristischen PR-Gag für sich selbst: Er ließ Angela Merkel anwaltlich abmahnen, weil diese von ihrem Recht auf Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hatte, während sie Bundeskanzlerin war. So wirft ihr Böhmermann vor, sie habe mit ihrer Kritik an seinem "Schmähgedicht" über den türkischen Staatspräsidenten eine juristische Bewertung des Werkes vorgenommen, die einer Vorverurteilung gleichkäme und sieht die Äußerung als Verstoß gegen die Gewaltenteilung.

Unklar ist, wie ernst der Komiker mit seinem Anwalt Schertz genommen werden will. So hatte Merkel nach Eingang der Strafanzeige wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts schließlich die damals erforderliche Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt - und damit die Entscheidung über eine Strafbarkeit der Justiz überlassen, die das Strafverfahren einstellte. Offensichtlich hatte eine von Böhmermann gewähnte Vorverurteilung keine Auswirkung.

Ebenfalls unerfindlich ist, weshalb ein Bundeskanzler zu einem Thema, das die internationale Politik bewegt, nur unkritisch äußern sollte. Dass ein Berufsprovokateur keine Kritik abkann, wäre Realsatire, zumal Böhmermann diese von einem Rechtsanwalt vortragen lässt, der einst selbst Böhmermanns Meinungsfreiheit mit Abmahnungen bedrohte.