Spanische Paramilitärs durchsuchen katalanische Zeitung

Nun hat sich das repressive Vorgehen auch auf die Presse ausgeweitet, doch die Katalanen feiern ihren Unabhängigkeitsweg, noch ist die Haltung der Bürgermeisterin von Barcelona unklar

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bevor am morgigen Montag die Bevölkerung in Katalonien erneut für Katalonien als neuen Staat in Europa auf die Straße gehen, vermutlich so zahlreich wie nie zuvor am Nationalfeiertag, zeigt Spanien, dass es auch keinen Respekt vor Kommunikationsmedien hat.

Ein Bild geht seit Samstag per Twitter um die Welt. Es zeigt, wie wieder einmal paramilitärische Guardia Civil Beamte eine Zeitungsredaktion gegen Demonstranten absichern, während deren Kollegen sie durchsuchen.

Bekannt sind solche Bilder bisher aus dem Baskenland, allerdings hatten die katalanischen Kollegen noch relatives Glück. Die katalanischen Journalisten wurden (noch?) nicht verhaftet und gefoltert, ihre Zeitung – verfassungswidrig wie schon gerichtsfest festgestellt wurde – nicht "vorläufig" geschlossen, wie die baskische Tageszeitung Egunkaria 2003. Für die Folter wurde Spanien inzwischen sogar vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt.

Wie das Vorgehen gegen baskische Zeitung erfolglos war, so verlief auch der Vorgang in Tarragona. Wahlzettel und Wahlbriefe für das von Spanien verbotene Referendum über die Unabhängigkeit von Katalonien wurden in den fünf Stunden, die die Durchsuchung dauerte, nicht gefunden. Beschlagnahmt wurde aber der zentrale Computer der Redaktion und Dokumente, wogegen die katalanische Journalistenvereinigung scharf protestiert hat.

Durchsucht wurde, darauf weisen Medien weltweit hin - allerdings bisher nicht in Deutschland - nicht allein die Redaktion in der Kleinstadt Valls, sondern erneut auch eine Druckereiim ebenfalls südkatalanischen Constanti. Auf der Suche nach Material für eine verbotene demokratische Abstimmung, war die Druckerei dort zunächst zwei Tage von den Zivilgarden belagert und am Freitag schließlich – ebenfalls erfolglos – durchsucht worden.

Dokumente zur Teilnahme am Referendum wurden ins Internet gestellt

Die Bevölkerung hat auf die spanischen Provokationen erneut vorbildlich reagiert. Man ließ sich – wie üblich - nicht zu Gewalt hinreißen, sondert verhöhnte die Paramilitärs. Gesungen wurde: "Wo sind die Wahlscheine, die Wahlscheine sind wo?", während die Demonstranten den Zivilgarden damit zuwinkten, wie etliche Videos zeigen. Sie wurden mitgebracht, denn die Vorlagen finden sich längst im Internet zum Selbstausdrucken.

Die Regionalregierung hat alle zur Durchführung des Referendums nötigen Dokumente ins Netz gestellt. Der Phantasie sind ohnehin keine Grenzen gesetzt. Ein Kuchenbäcker in Berga hat Wahlscheine auf weiße Schokolade "gedruckt".


Dass Spanien alle Register gegen Katalonien zieht, abseitig immer wieder von Putsch spricht und sogar mit dem Militär droht, ist längst bekannt. Inzwischen arbeitet die Staatsanwaltschaft an Anklagen gegen den katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont, sein gesamtes Kabinett und fünf Mitglieder des Parlamentspräsidiums, die die Debatte der Gesetze für die Unabhängigkeit sowie das Übergangsgesetz und ihre Verabschiedung zugelassen und das Dekret zur Durchführung des Referendums unterschrieben haben (Klage-Tsunami).

Die Repression wurde nun auch auf die Bürgermeister ausgeweitet. Fast 800 der knapp 950 haben sich schon zur Durchführung des Referendums verpflichtet und ihnen drohen nun ebenfalls Knaststrafen. Mehr als 50 Bürgermeister der Sektion der spanischen Sozialisten in Katalonien (PSC), die sich ebenfalls der demokratischen Abstimmung verpflichtet haben, drohen nun auch interne Parteistrafen. Die Parteizentrale in Madrid stellt sich mit der ultrakonservativen Volkspartei (PP) gegen das Referendum in Katalonien.

Bürgermeisterin von Barcelona zögert noch, die Wahllokale zur Verfügung zu stellen

Alle Augen richten sich derzeit auf Barcelona, ob die Bürgermeisterin Ada Colau die Wahllokale zur Verfügung stellt. Dazu wurden längst Falschmeldungen verbreitet. So hatte unter anderem El País am Samstag berichtet, die ehemalige Aktivistin gegen Zwangsräumungen habe sich geweigert, die Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Auf Basis der Falschmeldung der Zeitung, die spanischen Sozialisten nahe steht, berichtete zum Beispiel auch der Deutschlandfunk darüber.

Doch die Meldung ist falsch. Colau hat sich zunächst an die katalanische Regierung gewandt, um Garantien zu fordern, dass auf ihre Beschäftigten nicht auch der spanische Repressionshammer niedergeht. Eine definitive Entscheidung dürfte nach der Befragung der eingeschriebenen Sympathisanten fallen. Die entscheiden in diesen Tagen per Abstimmung, ob sich die Koalition an dem Referendum beteiligt, das man in "Catalunya en Comú" (Katalonien Gemeinsam) nun "Mobilisierung" nennt.

Gefragt wird die Basis nicht nur, ob sie die "Mobilisierung unterstützt", sondern auch, ob man "aller Repression, Amtsenthebungen und Suspendierungen durch den Zentralstaat entgegentreten" soll. Es wäre der politische Tod der Formation in Katalonien, würde sie dies nicht beschließen. Schließlich ging sie aus der Empörten-Bewegung hervor, setzt sich für eine direkte Demokratie und das Selbstbestimmungsrecht ein.

Einen leichten Stand werden Colau und die Mitglieder von En Comú am Montag angesichts ihres unklaren Verhaltens nicht haben. Colau wird daran erinnert, dass sie bei der verbotenen Volksbefragung zur Unabhängigkeit2014 klar und deutlich wie 81% der Teilnehmer für die Abtrennung von Spanien gestimmt hat, nun aber zögert, ob sie Wahllokale einrichtet.

Klar ist, dass am morgigen Montag, angeschoben durch die spanische Repression, zahllose Menschen in Katalonien auf die Straße gehen werden. Seit Jahren demonstriert man massiv am Nationalfeiertag. Der bisherige Höhepunkt war die Menschenkette, die sich 2013 den "Baltischen Weg" zum Vorbild nahm, als mehr als zwei Millionen Menschen eine Kette durch ganz Katalonien zogen. Angeknüpft wurde an die Vorgänge 1989 im Baltikum. Auch dort war friedlich eine Menschenkette gebildet worden, die den Startschuss für die Unabhängigkeit von Estland, Lettland und Litauen von der Sowjetunion gab, die sie schließlich 1991 erhielten.

Für die Menschenkette hatten sich 2013 im Vorfeld 400.000 Menschen registrieren lassen. Gestern waren es schon 340.000 und angestrebt werden nun 450.000. Das macht klar, wie groß die Mobilisierungen sein werden.