Was ist los? - Bundestagswahl ohne russische Beeinflussungskampagne

In den USA und in Frankreich war die Erregung über die angebliche russische Einmischung groß, jetzt findet man das Fehlen vor der Bundestagswahl bedrohlich

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In Deutschland herrscht Ruhe vor der anstehenden Bundestagswahl. In Umfragen bewegt sich wenig, mal geht es um einen Punkt nach oben, mal um einen nach unten. Die FDP wird in den Bundestag wieder einziehen, die AfD auch, die in Konkurrenz mit der Linken und der FDP vielleicht die stärkste Oppositionspartei werden könnte, wenn auch nur knapp, die Angst vor den Fremden und das Nationale lockt auch mit immer neuen Provokationen keine weiteren Anhänger mehr hervor, die Union, aber auch die SPD sind weiter nach rechts gerückt, um eine weitere Erosion zu verhindern. Dass es so weitergeht wie bislang mit einer Großen Koalition deutet sich bereits an, SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz hat schon mal genannt, was angeblich unverrückbare Forderungen für eine Fortsetzung der Koalition sein sollen.

Auch sonst ist es im Land ruhig. Befürchtet wurde, dass russische Hacker irgendwie in die Wahl eingreifen könnten, wie sie dies angeblich in den USA und in Frankreich gemacht hatten, oder dass russische Trolle und staatliche Medien Fake News verbreiten. Als es vor zwei Jahren ein Angriff auf die Server des Bundestags stattfand, bei dem angeblich 16 Gigabyte an Daten von einigen Abgeordnetenbüros geklaut worden sein sollen, darunter auch vom Wahlkreisbüro von Angela Merkel, wurde dies russischen Hackern zugeschrieben, die auch bei den Hacks im amerikanischen Wahlkampf eine Rolle gespielt haben sollen und nach ihren Methoden und Werkzeugen APT28, Fancy Bear oder Pawn Storm benannt werden.

Ob es tatsächlich russische Hacker im Dienste des russischen Geheimdienstes waren, stützt sich in allen Fällen weiter auf mehr oder weniger schlüssige Vermutungen. Angeblich, so heißt es mittlerweile eher, würde Russland nicht wirklich einen Kandidaten unterstützen - und man hätte sich mit Trump wohl auch keinen Gefallen getan und wäre mit Macron gescheitert -, sondern angezielt werde, Misstrauen in den demokratischen Prozess zu schüren und für politische Instabilität zu sorgen.

Bekannt wurde kürzlich lediglich, dass die Auswertungssoftware PC-Wahl von Vote IT schwere Sicherheitslücken beim Verschlüsselungsverfahren aufwies. Entdeckt hatte sie Linus Neumann und sein Team vom Chaos Computer Club, nicht das Bundesamt für Sicherheit (BSI), das auch für Wahlsicherheit zuständig ist. Der Hersteller hat daraufhin ein Update an alle Nutzer verteilt.

Bei der bevorstehenden Bundestagswahl wird eine Software zur Auswertung der Wahlergebnisse aus den Wahlkreisen eingesetzt, die nur ungenügend abgesichert ist. Einer Untersuchung des CCC zufolge wäre es trivial, die zu übermittelnden Ergebnisse zu manipulieren. Beim CCC geht man allerdings davon aus, dass es noch weitere Lücken geben wird. Die könnten dazu genutzt werden, die Stimmzählung nachträglich zu manipulieren. Da die Stimmen selbst prädigital mit Bleistift auf Papier gegeben werden, ist bei der Stimmabgabe im Gegensatz zur Verwendung von Wahlcomputer kein Eingriff von außen zu befürchten, wenn nicht gefälschte Wahlzettel eingebracht oder Wahlzettel vernichtet werden, wie dies bei der letzten Wahl in der Türkei geschehen sein soll.

Beim BSI hat man schon mal umgeschaltet, Präsident Arne Schönbohm sagte dem Spiegel, dass es neben Angriffen auf sensible Daten wie beim Bundestagshack die größte Gefahr sei, wenn IT-Systeme wie die Wahlsoftware mit den aufgedeckten Sicherheitslücken angegriffen würden, die bei der Wahl zum Einsatz kommen. Eine Gefahr sei auch, nach der Wahl durch "falsche Behauptungen über Unregelmäßigkeiten" zu versuchen, das Vertrauen in die Wahl zu beeinträchtigen. Dazu sind freilich nicht immer russische Hacker erforderlich, wie sich etwa bei Wahl des österreichischen Bundespräsidenten zeigte. Ganz ohne ausländische Täter wurde vor allem bei der Briefwahl geschlampt, es wurden Kuverts verfrüht geöffnet und Stimmen auch ohne Beisitzer gezählt, Kuverts wurden weggeworfen oder Stimmzettel nicht mehr berücksichtigt, die verschwunden waren, aber später wieder auftauchten. Die Stichwahl musste wiederholt werden (Verfassungsgerichtshof lässt neu wählen).