Nordirak: Poker um das kurdische Unabhängigkeits-Referendum

Kurz vor dem Volksentscheid unterbreiten die USA, die UN und Großbritannien einen Alternativ-Vorschlag. In Bagdad und in Ankara erhöht man den Druck auf die Regierung in Erbil

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Termin für das Unabhängigkeitsreferendum in der Autonomen Region Kurdistan im Irak rückt näher. Es ist für den 25.September angesetzt und es hat viele Gegner (siehe: Nordirak: Referendum für kurdischen Staat unter schlechten Vorzeichen). Nach einer aktuellen Meldung des kurdischen Mediums Rudaw zu schließen, hat im Schlussakt ein Pokerspiel begonnen, bei dem der mächtige Clanführer, Präsident der Region und Initiator des Referendums, Masud Barzani, seine Möglichkeiten ausreizt.

Bei einem Treffen am heutigen Donnerstag mit Barsani in Duhok präsentierten der Rudaw-Meldung zufolge Vertreter der UN, der USA und Großbritanniens eine "Alternative" zum kontroversen Volksentscheid. Wie diese Alternative konkret aussieht, geht aus der Meldung nicht hervor. Dass Barsani sie aber nicht glattweg ablehnte und versprach, mit der "Führung Kurdistans" darüber zu beraten, wurde von manchen Beobachtern schon als Neuigkeit gewertet, die das Referendum in letzter Minute abwenden könnte.

Abzulesen ist daran, mit welcher Aufregung das Referendum begleitet wird. Für Barsani ist das Angebot, wie man an der Rudaw-Nachricht sehen kann, eine Möglichkeit, mit dem forcierten Interesse an der Absage des Referendums, das sich am Angebot der Besucher zeigt, seine Forderungen möglichst hochzuschrauben.

Die Option, klein beizugeben, hat er ohnehin nicht. Das Referendum ist eng mit seiner Person verbunden. Seine Präsidentschaft ist längst abgelaufen, seine Legitimität bezieht er aus seiner Machtstellung durch den Clan und einer wenig verlässlichen, möglicherweise eingebildeten Popularität, die mit der Aufgabe des Referendums schnell gänzlich perdü gehen würde.

Barsani fordert "starke Garantie"

Also fordert er viel. Die Alternative zum Unabhängigkeits-Referendum müsste eine starke Garantie sein, die das Ziel der Unabhängigkeit besser erreichen lässt, kein bloßer Aufschub des Referendums, erklärte er. Hinzugefügt wird der Nachricht, dass Barsani schon in der jüngsten Vergangenheit betont hatte, er werde sich nicht damit begnüge, dass eine Garantie der kurdischen Unabhängigkeit nicht von Botschaftern - schon gar nicht der irakischen Regierung - oder Ministern auswärtiger Staaten abgegeben wird, sondern dass er sie von Chefs der Staaten oder Gemeinschaften, die ihn besucht haben, verkündet haben will. Die Garantie müsse stark sein.

Indessen erhöhte die irakische Regierung den Druck auf Barsani. Der irakische Premierminister Abadi hatte am Dienstag betont, dass das Unabhängigkeitsreferendum nicht verfassungswidrig sei.

Heute beschloss das Parlament in Bagdad auf seine Initiative hin einstimmig (ohne die kurdischen Abgeordneten), dass der Gouverneur der Provinz Kirkuk seines Amtes enthoben wird. Nadschmeddin Karim hatte sich für das Referendum ausgesprochen.

Machtspiele und Einschüchterungen

Wie weit das Machtspiel zwischen der kurdischen Regierung in Erbil und der irakischen in Bagdad inzwischen gediehen ist, zeigen die Reaktionen, die von kurdischer Seite berichtet werden. "Wir hören denen nicht zu. Uns ist das egal", wird Barsani zitiert. Vom seines Postens enthobenen Gouverneur wird berichtet, dass er im Amt bleiben will und das Referendum seinen Gang gehen werde.

Aus Bagdad kamen in den letzten Tagen auch schärfere Töne. So warnte der einflussreiche Generalsekretär der Badr Organisation, die einen wesentlichen Teil der schiitischen PMU-Milizen stellt, Hadi al-Amiri, davor, dass das Referendum - und die Unabhängigkeit - die Gefahr eines Bürgerkrieges erhöhen würde.

Vom türkischen Außenministerium kam am Donnerstag ein Statement, wonach Konsequenzen folgen würden, wenn das Referendum wie geplant am 25. September abgehalten würde.

Es werde ganz sicher einen Preis kosten, wenn die kurdische Autonomie-Regierung in Erbil trotz freundschaftlicher Ratschläge an ihrem Vorhaben festhalte, heißt es in der Stellungnahme. Da in der Autonomieregion nichts produziert wird, ist sie von der Türkei komplett abhängig.