Wählen, was am wenigsten abgelehnt wird?

Wahlplakate im Süden Münchens

Ewiger Zirkel? Eine YouGov-Umfrage bestätigt, dass die Fortsetzung der Großen Koalition eine ernsthafte Option bleibt

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Die Aussichten auf einen spürbaren Politikwechsel nach der Wahl stehen sehr schlecht, sagen die Umfragen. Eine nach der anderen bestätigt, dass die deutsche Wähler am kommenden Sonntag Merkel im Amt halten werden, womit sie zum Amtszeitrekordhalter Helmut Kohl aufschließen könnte - falls sie die vier Jahre durchhält.

Die heute veröffentlichte Umfrage von YouGov bestätigt gar die Ahnung, dass die Fortsetzung der Großen Koalition eine ernsthafte Option ist. Die Umfrage wird heute in größeren Medien aufgenommen, um den inhaltlich langweiligen Wahlkampf mit der Frage anzuregen, wie die Haltung der SPD dazu aussieht, ob die Gro-Ko-Option trotz anderslautender Signale der SPD-Führungspersönlichkeiten Schulz und Gabriel nicht doch ein ernsthafte Option bleibt, um mit diesem Macht-Bündnis an der Regierung zu bleiben (siehe dazu: SPD und Schulz können den Abwärtstrend nicht stoppen).

Schließlich stehen Wahlkampfaussagen auf einem anderen Blatt als Koalitionsverhandlungen nach der Wahl. Der Sender ntv überschreibt seine Meldung zur Umfrage mit dem Satz, dass Schulz eine Große Koalition nicht ausdrücklich ausschließe. Zu entscheiden hätten aber die Parteimitglieder in einer Mitgliederbefragung wie schon nach der Wahl 2013.

Laut der repräsentativen YouGov-Umfrage von 2.000 Befragten (doppelt so viele wie bei dem ARD-DeutschlandTrend mit seiner Sonntagsfrage) erhält die Große Koalition zwar nicht die Zustimmungsmehrheit, aber die geringste Ablehnung. Möglicherweise ist dies das latent waltende Prinzip bei der Bundestagswahl 2017: Gewählt wird, wer am wenigsten auf Ablehnung stößt, weil man damit vor Unwägbarkeiten verschont bleibt.

Nur 30 Prozent für Koalition aus CDU und FDP

Am liebsten wäre den von YouGov Befragten eine Koalition aus Union und FDP. Aber es sind nur 30 Prozent, die sich dafür aussprechen. Sehr viel mehr lehnen diese mögliche neue Regierungskoalition ab, nämlich 42 Prozent. Dass der Sieger bei den Zustimmungswerten nur auf 30 Prozent kommt, sagt schon einiges über die Freude der Wähler über das politische Angebot.

Die Große Koalition bekommt in der Umfrage 27 Prozent Zustimmung, nur 36 Prozent sind dagegen. Bei Rot-Grün sind es 49 Prozent, bei Rot-Rot-Grün 54. Interessant ist, dass die Ablehnung der Unionskoalitionen mit den Grünen oder mit den Grünen und der FDP ziemlich hoch ist (beide Male bei 49 Prozent). Aufgeschlüsselt nach Partei-Affinität sind Unions-Wähler eher für eine Fortsetzung der Großen Koalition (46 Prozent Zustimmung) als SPD-Wähler (37 Prozent Zustimmung). SPD-Wähler bevorzugen nach dieser Umfrage eine Koalition mit den Grünen (59 Prozent Zustimmung).

"Keine Pflicht zur Selbstaufopferung der SPD"

Aus der SPD selbst wurden allerdings am Freitagabend deutliche Wahlkampf-Gegenstimmen zur Fortsetzung der bestehenden Koalition berichtet. Fraktionsvize Axel Schäfer sprach in diesem Zusammenhang von einer "Selbstaufopferung", zu der man nicht verpflichtet sei.

Gemeint ist wohl, dass es vor allem darauf ankommt, wie die SPD am Sonntag abschneidet, liegt sie bei 20 Prozent, so gäbe sie einen schwachen Partner ab, der kaum etwas zu bestimmen hat. Da die SPD gegenwärtig schon Probleme damit hat, dass wahrgenommen wird, was sie als ihren erfolgreichen Beitrag zur Regierungsarbeit herauszustellen versucht, würde sie in der traurigen 20-Prozent-Gestalt in der GroKo politisch vollkommen verschwinden.

Ganz ausschließen wollte Axel Schäfer die GroKo-Neuauflage aber auch nicht. Koalitionen mit demokratischen Parteien seien grundsätzlich nicht auszuschließen: "Das täte der Demokratie nicht gut." Der "Sprecher der SPD-Denkfabrik", Frank Schwabe, wird mit der Einschätzung "Notlösung" zitiert.

Dass die GroKo von einer SPD-Mitgliederversammlung abgesegnet würde, sei allerdings nicht garantiert, kommentierte die Zeit vor gut einer Woche. In der Partei seien viele der Überzeugung, dass es sie bei der Wahl 2021 "stärker zurückkommt", wenn die Union ohne sie regieren muss.

Da Schwarz-Gelb laut bisherigen Umfragen noch keine Mehrheit hat, und das sogenannte Jamaika-Bündnis (Schwarz-Gelb-Grün) viele grundlegende Konflikte überwinden müsste, sei die Große Koalition eine sehr reelle Option für Schulz, so der Zeit-Kommentar. Würde sich die SPD in der geschilderten Konstellation, dass es für Schwarz-Grün nicht reicht, der GroKo verweigern, würden Neuwahlen ein Thema werden. Diese könnten eine absolute Mehrheit für Angela Merkel bringen.