PARTEI gewinnt Parteifinanzierungsprozess

Von Martin Sonneborn getwitterte Parodie eines CDU-Wahlplakats

Die Bundestagsverwaltung hatte rund 72.000 Euro Rückerstattung und 384.000 Euro Strafe dafür gefordert, dass die Sonnebornisten mit ihrem Bargeldverkauf eine Gesetzeslücke nutzten, die erst nach dieser Offenlegung geschlossen wurde

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Die vom ehemaligen Titanic-Chefredakteur und jetzigen Europaabgeordneten Martin Sonneborn angeführte Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (PARTEI) hat trotz ihrer Hymne vielleicht nicht immer Recht - aber vorerst auf jeden Fall damit, dass sie rund 72.000 Euro Rückerstattung und 384.000 Euro Strafe, die die Bundestagsverwaltung von ihr gefordert hatte, nicht zahlen muss. Das entschied gestern die Zweite Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin (Az. VG 2 K 413.16). Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. "Wegen grundsätzlicher Bedeutung" hat die Kammer sowohl eine Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg als auch eine Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht erlaubt.

Stein des Anstoßes war, dass die PARTEI 2014 Anhängern und anderen Aktionskunstfreunden unter dem Slogan "Kauf kein Scheiß, kauf Geld" echte 20-, 50- und 100-Euro-Scheine zum Preis von 25, 55 oder 105 Euro verkaufte (vgl. Sonneborn-Partei verkauft jetzt "echtes Geld"), weil das deutsche Parteiengesetz den Anspruch auf Geld aus der Steuerkasse, der sich aus den Stimmanteilen bei Wahlen errechnet, auf höchstens die Summe begrenzt, die eine Gruppierung aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und "Einnahmen aus Unternehmenstätigkeit" erzielt.

Struktureller Nachteil für kleine und wenig wirtschaftsnahe Parteien

Anstatt diesen strukturellen Nachteil für kleine und wenig wirtschaftsnahe Parteien einfach hinzunehmen, beschlossen die Sonnebornisten, die 240.000 Euro Steuergeld, die der PARTEI mit ihren 184.709 Wählern aus der Europawahl zustanden, nicht in andere Taschen fließen zu lassen, sondern zu kassieren, indem sie eine von den Vertretern der etablierten Parteien nicht vorhergesehene "Unternehmenstätigkeit" begannen: den Verkauf von Geld. Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, gab man jedem Geldkäufer noch zwei Postkarten dazu.

2015 bot die PARTEI ihren Fans dann ein Geschäft an, dass sich nicht nur für Aktionskunstsammler lohnte: Sie verkauft tausend Hundert-Euro-Scheine nicht mehr für 105 Euro das Stück, sondern "preisreduziert" für 80 Euro. Dadurch macht ein Käufer Gewinn - und die PARTEI rechnete ebenfalls mit einem, weil sie der damaligen Rechtslage nach für die 80 Euro Kaufpreis noch einmal 80 Euro aus der Wahlkampfkostenerstattung bekommen hätte. Aus rechtlichen Gründen bekamen die Käufer die hundert Euro damals nicht als Buchgeld (also per Überweisung), sondern als Bargeld. Das hat gegenüber Buchgeld mehrere Vorteile, wie Sonneborn in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk ausführte: Man kann es verwenden, wenn Bankautomaten und Bankschalter geschlossen sind - und man kann damit Negativzinsen umgehen (vgl. PARTEI verkauft 100-Euro-Scheine für 80 Euro).

Gesetzeslücke erst zum 1. Januar 2016 geschlossen

Im Dezember 2015 schloss der Bundestag die Gesetzeslücke, die das möglich machte, zum 1. Januar 2016. Nun fordert die Bundestagsverwaltung von der PARTEI unter Rückgriff auf § den § 31a des Parteiengesetzes nicht nur gezahlte Gelder in Höhe von 72.000 Euro zurück, sondern zusätzlich 384.000 Euro Strafe, weil sie angeblich "unrichtige Angaben" im Rechenschaftsbericht für 2014 machte, als sie die erst später geschlossene Lücke ausnutzte.

Dort war man von der Forderung unter anderem deshalb überrascht, weil der Rechenschaftsbericht nicht nur das Licet eines renommierten Wirtschaftsprüfers erhalten hatte, sondern erst auch von der Bundestagsverwaltung akzeptiert wurde. Obwohl die Aktionen damals für sehr viel Aufmerksamkeit auch großer Medien wie Spiegel-TV sorgten, behauptete diese Bundestagsverwaltung, sie habe erst später davon erfahren. So konnte sie argumentieren, die PARTEI habe heimlich und in betrügerischer Absicht gehandelt. Deshalb wandten sich die Sonnebornisten an den renommierten Düsseldorfer Juraprofessor Martin Morlok, der für sie vor dem Berliner Verwaltungsgericht klagte.

Die Bundestagsverwaltung, die sich von der Kanzlei Deubner und Kirchberg vertreten ließ, hatte ihrer Forderungen damit begründet, dass der Rechenschaftsbericht der PARTEI für das Jahr unrichtig gewesen sei, weil ihrer Ansicht nach bei den "Einnahmen aus Unternehmenstätigkeit und Beteiligungen" statt 204.225,01 Euro 12.350 Euro stehen hätten sollen, da ein "bloßer Austausch von Geld" auch in der alten Fassung des Parteiengesetzes nicht unter den Einnahmebegriff gefallen sei.

Das Verwaltungsgericht Berlin zeigte sich jedoch anderer Auffassung, und urteilte, dass "es sich bei den der Klägerin aus dem Geldgeschäft zugeflossenen Beträgen […] unter Zugrundelegung der seinerzeit geltenden Vorschriften des Parteiengesetzes" durchaus um Einnahmen handelt, weil "darunter jede von der Partei erlangte Geld- oder geldwerte Leistung zu verstehen" sei. Dass der "parteienrechtliche Einnahmebegriff […] weiter als der von der Beklagten zugrunde gelegte handelsrechtliche Ertragsbegriff" ist, ergibt sich der Kammer nach "aus dem Wortlaut, dem verfassungsrechtlichen Transparenzgebot und der historischen Entwicklung des parteienrechtlichen Einnahmebegriffs."

Kein Verkauf auf eBay

Der neue Lieblingsfeind von SJWs in der Taz, bei Spiegel Online und beim ZDF muss nach diesem Urteil weder "in den bewaffneten Untergrund gehen" (vgl. "Notfalls gehen wir in den bewaffneten Untergrund"), noch eine Religion werden, sich an einen Kreditspammer wenden oder sich für eineinhalb Millionen Euro bei eBay zum Verkauf anbieten.