Jan Fleischhauer, die Atlantik-Brücke und die CIA

Jan Fleischhauer. Foto: Olaf Kosinsky. Lizenz: CC BY-Sa 3.0

Blinde Flecken in transatlantischer Loge

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SPIEGEL-Autor Jan Fleischhauer, stolzes Mitglied des transatlantischen Lobbyvereins Atlantik-Brücke e.V., echauffierte sich vor geraumer Zeit über die Assoziation seiner Loge mit der CIA. Die Atlantik-Brücke ist ein deutsch-amerikanischer Gesellschaftsverein, in dem hochgestellte Journalisten, Spitzenpolitiker und Industrielle vierstellige Mitgliedsbeiträge bezahlen, um nett zueinander zu sein.

Fleischhauer störte sich an einem Kapitel im unerwünschten Bestseller "Gekaufte Journalisten" des umstrittenen Autors Udo Ulfkotte, der sich für seine Zeilen zur Atlantik-Brücke ausgiebig aus dem Telepolis-Artikel Grüne und Linke auf der Atlantik-Brücke von 2013 bedient hatte. Fleischhauer versuchte damals in erschreckender Naivität, die Beziehung der Atlantik-Brücke zur CIA mit Sarkasmus ins Lächerliche zu ziehen.

Da der Telepolis-Autor Texte von Fleischhauer mit gleichem Eifer meidet wie solche von Ulfkotte, stieß er erst jetzt auf dieses humoristische Juwel des konservativen Kommentators. Dem transatlantisch verstrickten Journalisten ist insbesondere für seine historischen Defizite kein Vorwurf zu machen, da etwa die Ursprünge der Atlantik-Brücke und die tatsächlichen Zusammenhänge mit der CIA gemeinhin unbekannt sind. Während Bundesbehörden inklusive Geheimdienste ihre Geschichte von unabhängigen Historikerkommissionen aufarbeiten lassen, werden die Wurzeln der Atlantik-Brücke gerne vernachlässigt.

Auch die Medien lassen das Thema aus, denn Verleger und Rundfunkintendanten sind häufig selbst Mitglied. Daher sind an der Atlantik-Brücke etwa die 68er Jahre und die damals begonnene Vergangenheitsbewältigung spurlos vorübergegangen, so dass der unbedarfte SPIEGEL-Kolumnist in seiner transatlantischen Echochamber hilflos gefangen ist. Damit Fleischhauer künftig kompetenter spotten kann, soll ihm nachfolgend erklärt werden, in welcher Gesellschaft er sich eigentlich befindet.

Braune Brückenköpfe

Der Gründungslegende nach wurde die Atlantik-Brücke 1952 von drei noblen Menschen initiiert, nämlich dem mit einer Deutschen verheirateten US-Geschäftsmann John Jay McCloy, dem deutsch-amerikanischen Banker Eric Warburg und der deutschen Publizistin Marion Gräfin Dönhoff. In Wirklichkeit allerdings gehörten alle drei zum US-Geheimdienst. Noch brisanter: Die Strukturen und Gesinnungen dieser deutsch-amerikanischen Freundschaft zwischen Eliten reichen über drei Jahrzehnte weiter als der unbelastete Jahrgang 1952.

McCloy und die Warburgs waren prominente Mitglieder im 1921 von den Rockefellers und anderen Milliardären gegründeten privaten Thinktank "Council on Foreign Relations" (CFR), in dem Lobbyisten der Wallstreet die Vorgaben für hofierten Außenpolitiker der USA ausklüngeln. Der CFR ist insbesondere das Sprungbrett für Karrieren in der US-Außenpolitik. Präsidenten des CFR wie Allen Dulles und Henry Kissinger standen später direkt den US-Geheimdiensten vor. Die kartellfreudigen Rockefellers machten vor allem Geschäfte mit Bodenschätzen im Ausland, das nicht immer freiwillig kooperierte. Auch Eric Warburgs Onkel Paul spielte im CFR eine wichtige Rolle: Laut dem Historiker Antony Sutton soll Paul Warbug 1929 vorgefühlt haben, ob Hitler für amerikanisches Geld empfänglich sei ("Wall Street and the Rise of Hitler").

John Jay McCloy galt als "Vorsitzender" des amerikanischen Establishments. Vor dem Zweiten Weltkrieg beriet McCloy nicht nur eine Clique rechtsnationaler Wall-Street-Milliardäre wie Hitler-Verehrer und -Bespender Henry Ford, sondern versorgte auch selbst den italienischen Faschisten Benito Mussolini mit Krediten. McCloy fungierte zudem als Rechtsberater des deutschen Chemiekartells IG Farben, das den Sprengstoff für die Bomben und das Giftgas Zyklon B herstellte sowie kriegswichtige Treibstoffe importierte - etwa von Rockefellers Standard Oil. 1930 hatte McCloy eine Cousine der Ehefrau von Konrad Adenauer geheiratet und wohnte 1936 den Olympischen Spielen in Berlin in Hitlers Privatloge bei.

Während des Zweiten Weltkriegs forcierte Südstaatler McCloy die Rassentrennung im US-Militär. Im Pentagon durften Schwarze nicht die gleichen Toiletten wie Weiße benutzen oder etwa bei den Siegesfeiern nach dem Zweiten Weltkrieg die Idylle der weißen Generäle stören.

Marion Gräfin Dönhoff hatte während des Zweiten Weltkriegs Kontakt zum adeligen Kreisauer Kreis gepflegt, der sich über ein Jahrzehnt zu spät gegen Hitler engagierte und dann am 20. Juli 1944 erfolglos ein Attentat auf den Diktator versuchte. In den letzten Kriegstagen diente sich Dönhoff dem US-Geheimdienst an und fungierte dann - wie man seit 1998 weiß - als Agentin der Central Intelligence Agency (CIA) sowie der angeschlossenen Organisation Gehlen.

Der Strippenzieher

Ebenfalls zu den Zaungästen des Führerattentats gehörte ein amerikanischer Ex-Diplomat, der wie sein Freund McCloy als Konzernanwalt des US-Establishments fungierte und Übervater der CIA werden sollte: Allen Welsh Dulles. Allen Dulles war wohl der eigentliche spiritus rector der Atlantik-Brücke. Anders als sein spröder Bruder John Foster Dulles, der es 1954 zum Außenminister bringen sollte, war Allen Dulles ein charmierender Gesellschaftslöwe, der seine Gesprächspartner einzuwickeln verstand.

Die Dulles-Brüder arbeiteten ebenfalls u.a. für die Rockefellers, ihre auf Außenwirtschaft spezialisierte Industriekanzlei hatte am Wiederaufbau Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg gut verdient. Allen Dulles saß in den 1930er Jahren u.a. im Aufsichtsrat des US-amerikanischen Bankhauses Henry Schroeder, welches die NSDAP finanzierte. Zu Dulles Geschäftspartnern gehörte der spätere Wehrwirtschaftsführer Eduard Schulte sowie der Industrielle Hjalmar Schacht, der gemeinsam mit anderen deutschen Eliten 1933 Hindenburg in einem Brief aufforderte, Adolf Hitler zum neuen Reichskanzler zu ernennen. Der als Finanzgenie geltende Schacht wurde Hitlers Reichsbankpräsident und Reichswirtschaftsminister.

Allen Dulles und sein Bruder John Foster Dulles, die auch deutsche Firmen wie etwa die IG Farben vertraten, waren entschiedene Gegner der Politik von Präsident Franklin Delano Roosevelt gewesen. Sie finanzierten in den 1930er Jahren rechtsnationale Organisationen wie Amerika First und American Liberty League, zudem unterstützten sie republikanische Präsidentschaftskandidaten. Es waren jene Kreise, in denen man sogar einen faschistischen Staatsstreich gegen Roosevelt erwog. Dulles Mandanten setzten ihre Geschäfte mit Nazi-Deutschland selbst nach Kriegseintritt der USA fort.

Kriegsgeheimdienst

Allen Dulles und Paul Warburg waren während des Zweiten Weltkriegs an der Gründung des Kriegsgeheimdienstes OSS beteiligt. Zu den bescheidenen Erfolgen des OSS gehörte die psychologische Kriegsführung durch Propaganda, bei der man zur Desinformation auch die zivilen Medien an der Heimatfront einspannte. 1942 reiste Dulles in die von Faschisten eingeschlossene Schweiz, wo er seine geschäftlichen Kontakte nach Deutschland zum Spionieren nutzen sollte. Am Finanzplatz Schweiz betrieb Dulles heimlich weiter Geschäfte mit deutschen Firmen und deren Tarnorganisationen, etwa für seinen Mandanten Prescott Sheldon Bush. Investmentbanker Bush hatte für den Hitler-Finanzier Fritz Thyssen als Geschäftspartner diverser deutsch-amerikanischer Firmen fungiert - darunter das Arbeits- und Konzentrationslager Auschwitz. Das Bombardieren der Bahnlinien nach Auschwitz untersagte dem Militär kein geringerer als Geschäftsfreund John McCloy.

Dulles hatte schon frühzeitig aus unterschiedlichen Quellen sichere Kenntnis vom Holocaust, verschwieg den industriellen Massenmord jedoch gegenüber Roosevelt. Während sein Präsident nur eine bedingungslose Kapitulation Deutschlands akzeptierte und ausdrücklich Verhandlungen über einen Separatfrieden mit Deutschland untersagte, nahm Dulles über Mittelsmänner wie hochrangige SS-Leute Kontakt mit deutschen Eliten auf. Wie viele Militärs war auch Dulles der Ansicht, dass man mit Deutschland den falschen Feind bekämpfte, vielmehr wollte er mit den Deutschen gegen den damals noch alliierten Stalin Krieg führen. Roosevelt misstraute Dulles und plante, ihn nach seiner Rückkehr vor Gericht zu stellen. Jedoch verstarb der Präsident im Amt und hatte viele seiner Geheimnisse nicht mit seinem Vize Truman geteilt, der andere Prioritäten hatte - wie den von McCloy mit verantworteten Abwurf der Atombombe auf Zivilisten.

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