… beim nächsten Mal als Farce

Promenade in Zell am See. Bild: E. Feroz

Zum Burkaverbot in Österreich

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Marx bemerkt irgendwo, dass die Geschichte sich gern wiederholt. Gibt sie beim ersten Mal die Tragödie, kommt sie beim nächsten Mal als Farce daher.

Dankenswerterweise hat Wikipedia uns, als Leser oder Schreiber, der Notwendigkeit enthoben, endlos in Bibliotheken rumzusitzen und die Quellen solcher Zitate aufzusuchen. Bei Marx heißt es nun also, im Wortlaut: "Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce."

Wie man sieht, wusste Marx selber in dem Moment nicht so genau, wo er das bei Hegel schon mal gelesen hatte, aber sein Zitat findet sich in "Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte" (1852). Zitiert nach: MEW Bd. 8, S. 115.

Mit "MEW" ist die DDR-Ausgabe der "Marx Engels Werke" gemeint, die man antiquarisch hier und da noch findet, immer wieder eine vergnügliche Lektüre. Es gibt sie aber auch online, Das Kapital sogar als vereinfachte Audio-Version.

Anderthalb Jahrhunderte lang hat sich kaum jemand die Mühe gemacht, einmal bei Hegel nachzuschauen. Jetzt findet man das Hegel-Zitat endlich direkt unterm Marx-Zitat, eine Wohltat. Und jeder, der diese Sache mit der Tragödie und der Farce noch einmal mit-denken möchte, kann sich nun mühelos bei Wikipedia zum Thema schlau machen.

Ich selber denke, dass es wohl eher umgekehrt sein müsste. Was beim ersten Mal quasi als Witz anfing, tritt in der Wiederholung gern als blutige Katastrophe auf.

Beispiel Reza Shah

Nehmen wir gleich einmal das Beispiel von Reza Shah, dem Vater des späteren Mohammad Reza Shah, den wiederum die meisten Deutschen als den "Mann der Kaiserin Soraya" in Erinnerung haben dürften. Dieser Schah von Persien war nur etwa 1.75 Meter groß, sein Vater dagegen war ein Hühne, ein Zwei-Meter-Mann, der unter seinen damals eher schmächtigen Untergebenen rein physisch bereits Angst und Schrecken verbreiten konnte.

Reza Shah war keine Geistesgröße, aber zum Glück für ihn gab es in der benachbarten Türkei einen Atatürk, der sein Volk mit Volldampf modernisierte. Am 25. August 1925 wurde beispielsweise der türkische Fes, dieser typische rote Filzhut, verboten. Stattdessen mussten alle Männer nun eine Art westlichen Stetson Hut tragen. Frauen mussten den Schleier ablegen und stattdessen einen Glockenhut tragen. Attraktives Vorbild: Greta Garbo, mit hochgeklappter Krempe.

Reza Shah machte das sofort nach, auch die persischen Männer legten ihre Filzmützen ab und trugen ab sofort eine "Kepi" genannte Schaffnermütze mit Schirm. Für Frauen kam das Verbot des Schleiers, der persische Tschador wurde polizeilich abgeschafft. Bis dahin hatten persische Frauen zum Einkaufen noch im Nachthemd auf die Straße gehen können, das große Tuch verdeckte alles von Kopf bis Fuß. Jetzt standen die Frauen oft halbnackt auf der Straße, weil ihnen ein Polizist gewaltsam den Lappen herunter gerissen hatte.

Schlimm wurde es, als der oberste Geistliche des Landes, der Mullah, von Qum, die Frau des Kaisers als "Nutte" bezeichnete, weil sie den Tschador nicht mehr, aber dafür westliche Kleidung trug. Dies war die Kaiserinmutter, sie hieß auch Soraya, so wie später die (zweite) Frau von Mohammad Reza Schah. Als Reza Shah dieses beleidigende Wort über seine Frau zugetragen wurde, stieg er stante pede in sein Auto, welches damals noch so ungefähr das einzige Automobil in der Hauptstadt Teheran war, und dazu möglicherweise ein Horch, ein Fahrzeug aus deutscher Herstellung. Reza Shah ließ sich mit dem Wagen direktemang nach Qom kutschieren, suchte und fand den obersten Mullah, und peitschte ihn eigenhändig nieder. Soweit die Schmierenkomödie.

Der Tschador wurde in der Folge erfolgreich abgeschafft, auf allen Fotos der iranischen Demonstrationen gegen den vom CIA neu eingesetzten jungen Schah, 1953, tragen die persischen Frauen moderne europäische Frauenkleider. Man meint, Bilder aus einem italienischen Film zu sehen. Von Rossellini oder so.

Die Farce als blutige Tragödie

Jetzt aber zur Tragödie. Wer hatte als knapp 20-jähriger Koranschüler damals in Qom die Auspeitschung seines geliebten obersten Kirchenfürsten im Detail mitgekriegt? Ein Bibelschüler, wenn man so will, wie einst der junge Stalin, der sich später zum Staatsoberhaupt der Sowjetunion aufschwang.

Ob er irgendetwas im Iran vermisst hätte während seines langen Exils in Paris, wurde er 1978 bei seiner Ankunft am Flughafen von Teheran gefragt? "Hietsch!" sagte der, mit dem landesüblichen Zungenschnalzen. "Rein gar nichts." Fünfzig Jahre lang hatte er nur darauf gesonnen, sich an den Pahlavis zu rächen, und so galt es, sofort einmal (a) den Schah außer Landes zu jagen und (b) das Tragen des Tschadors wieder einzuführen.

Das könnte man nun auch eine Farce nennen, aber tatsächlich war es weit mehr: eine blutige Katastrophe, wenngleich sie später auch noch blutiger und noch katastrophaler wurde.

Nun wird in Österreich ab 1. Oktober ein gesetzliches Verhüllungsverbot eingeführt, wie vor knapp 100 Jahren in Persien. Auch hier dürfen nun Polizisten des Landes — in diesem Fall, Österreichs —- Frauen, die mit einem Ganzkörperschleier angetroffen werden, in Haft nehmen und von ihrem Schleier befreien.

Man kann nur hoffen, dass die Ladies in Österreich, anders als ihre Geschlechtsgenossinnen damals in Persien, nicht gerade in ihrer bloßen Unterwäsche unterwegs sein werden, wenn sie der Bannstrahl des Gesetzes trifft.

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