Jagd auf Petry statt Merkel

Frauke Petry auf der Bundespressekonferenz. Screenshot von YouTube-Video

Erstmals seit 65 Jahren ist wieder eine Rechtsaußen-Partei ins Parlament eingezogen. Eine Zäsur oder ein Novum ist die AfD in mehrfacher Hinsicht

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Es hätte ein Triumphzug werden können. Die "Alternative für Deutschland" (AfD) zieht mit 12,6 Prozent und 94 Abgeordneten in den Bundestag ein. Gaulands Ankündigung am Wahlabend, Merkel "jagen" zu wollen, hätte vielbeachtet am ersten Tag in der Bundespressekonferenz als parlamentarischer Startschuss zelebriert werden können. Petry indes kündigte bei dieser Gelegenheit an, dass sie - wohlgemerkt: als Parteichefin - nicht der künftigen Fraktion angehören werde. Statt auf Merkel begann nun die "Jagd" auf Petry. Auch eine Zäsur oder - weniger dramatisch formuliert - ein Novum.

Seit jenem denkwürdigen Auftritt vor der Bundespressekonferenz überschlugen sich am Montag die Ereignisse. Kurz vor 14 Uhr war es Spitzenkandidatin Weidel, die die Parteichefin aufforderte, die AfD zu verlassen. Weidel sagte dazu in Berlin: "Nach dem jüngsten Eklat von Frauke Petry, der an Verantwortungslosigkeit kaum zu überbieten war, fordere ich sie hiermit auf, ihren Sprecherposten niederzulegen und die Partei zu verlassen, um nicht weiteren Schaden zu verursachen." Zuvor schon hatte Poggenburg, einer der führenden Köpfe des äußerst rechten Parteiflügels, Petrys Kopf gefordert.

Der im Rahmen des Bundestagswahlkampfes ruhig gestellte Machtkampf war also erneut mit voller Wucht ausgebrochen. FAZ-Online titelte: "Schlachtfeld AfD". Gegen Mittag war zudem bekannt geworden, dass die Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern sich spaltet. Vier der ursprünglich 18 Abgeordneten gründeten am Montag eine neue Fraktion mit dem Namen "Bürger für Mecklenburg-Vorpommern" (BMV). Offenbar schon länger gehegte Pläne von Petry und deren Umfeld, die AfD respektive deren Fraktion nach der Bundestagswahl zu verlassen, machten am Mittag neuerlich die Runde. Als Quelle dienten dafür interne Chat-Protokolle, aus denen WDR und NDR zitierten. Daraus geht hervor, dass die Petry-Abspaltung seit Monaten debattiert wurde und sie eine regierungsfähige, von bürgerlichen Kräften angeführte Politik betreiben will.

Schon zuvor war vermutet worden, angesichts der Flügel- und Machtkämpfe innerhalb der Partei habe die Bundestagsfraktion "eine Halbwertzeit von eher kurzer Dauer". Wohl auch das dürfte ein Novum oder eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik gewesen sein. Wer am Sonntag die AfD als Partei wählte, konnte fast sicher damit rechnen, für zwei sich später noch bildende Parteien oder Fraktionen gestimmt zu haben. So hatte sich nach der Wahl in Baden-Württemberg vor Monaten schon die Fraktion zerstritten, zeitweise waren zwei Ableger aktiv gewesen und hatten sich später doch wieder zusammengefunden.

Gauland sprach am Montag gegenüber der FAZ im Interview von einem Stich in den Rücken durch Petry, gesetzt noch während des laufenden Wahlkampfes. Eine Dolchstoßlegende, schon einmal Garant für deutsch- und völkisch-nationalistische Kreise, in einen Krieg ziehen zu können. An der Rhetorik und der eigenen Zerrissenheit wird indes klar, wie wenig diese Partei "das Volk" ist, das sie vorgibt zu vertreten.

Petry hatte am Montagmorgen gegen 9.10 Uhr auf dem Podium der gemeinsamen Pressekonferenz der Parteiführung Platz genommen, zuvor noch artig für die Fotografen mit den Parteifreunden posiert und in die Objektive gelächelt. Dann jedoch hatte sie mitgeteilt, dass sie der Fraktion ihrer Partei im Bundestag nicht angehören werde. Unmittelbar danach verließ sie die Pressekonferenz, entzog sich Nachfragen der Journalisten und stieß somit nicht nur ihren verdutzt dreinblickenden Parteifeinden vor den Kopf. Ihr Co-Chef Meuthen sprach von einer "Bombe", die Petry habe platzen lassen. "Das war mit uns nicht abgesprochen, wir wussten davon nichts." Zugleich ergänzte er, Petry habe sich schon im Wahlkampf "aus der Teamarbeit verabschiedet" und nicht mehr an Vorstandssitzungen teilgenommen.