Sexuelle Belästigung an Universitäten: Kampf auf Kosten aller Beteiligten

Bild: US-Regierung

In den USA hat die Auseinandersetzung darum begonnen, wie in Zukunft die Universitäten bei Vorwürfen der sexuellen Belästigung vorgehen sollen - die bisherige Praxis hat viele Nachteile, wird aber dennoch unterstützt

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Ein junger Mann stößt auf einem Campus eine junge Frau nach einem Handgemenge gegen eine Wand.

Ein verliebtes Paar rauft auf einem Campus miteinander, dabei wird die junge Frau gegen eine Wand gestoßen.

Was sich anhört wie zwei verschiedene Fälle, ist ein Fall, doch was passiert ist, wurde von einem Beobachter anders angesehen als von dem Paar selbst. Und dies hatte für beide Beteiligten Folgen, die nicht nur ihre Privatsphäre und andere Rechte missachten, sondern auch die sexuelle Selbstbestimmung als Kollateralschaden im Zuge des Opferschutzes ansehen.

Sehr geehrte Kollegen … oder: ein Brief ändert alles

Diese Entwicklung zu verstehen bedeutet, sich mit der Entwicklung an den US-amerikanischen Universitäten seit 2011 zu befassen. In eben diesem Jahr, 2011, erging ein Brief des Büros für Bürgerrechte (OCR - Office of Civil Rights) an alle mehr als 7.000 Universitäten in den USA, der sich auf den Title IX bezog. Title IX, 1972 verabschiedet, hatte zum Ziel, gendergeschlechtliche Diskriminierung auf einem auch mittels Bundesmitteln finanzierten Campus zu verhindern bzw. ihn zu sanktionieren, sollte er vorkommen:

No person in the United States shall, on the basis of sex, be excluded from participation in, be denied the benefits of, or be subjected to discrimination under any education program or activity receiving federal financial assistance.

Keine Person in den Vereinigten Staaten dürfe also, so Title IX, wegen seines Geschlechtes von der Teilnahme an staatlich (mit)finanzierten Bildungsprogrammen oder -aktivitäten ausgeschlossen, Opfer von Diskriminierung werden, auch dürften ihr keine Vorzüge dieser Programme oder Aktivitäten vorenthalten werden.

Title IX hatte einen Hintergrund, der mit der Gleichberechtigung zu tun hatte, er sollte der Diskriminierung vorbeugen und in Bezug auf das Geschlecht "gleiches Recht für alle" ermöglichen. 2011 jedoch wurde aus dieser positiven Regelung etwas, was sich für alle negativ auswirkte - ein typischer Fall von "gut gemeint, aber schlecht umgesetzt".

Um die Universitäten dazu zu bringen, sich mehr mit dem Thema der sexuellen Gewalt zu befassen und zu verhindern, dass weiterhin der Eindruck entstand, dass sich Frauen an Universitäten nicht mehr sicher vor sexueller Belästigung und Gewalt fühlen könnten, drohte der "Dear Colleagues"-Brief, den das OCR verschickte, sehr deutlich damit, Bundesmittel zu entziehen, sollten die Universitäten nicht gewisse Standardprozeduren bei Fällen von sexueller Belästigung bzw. Gewalt einhalten. Diese Prozeduren verschoben das Gefälle bei Vorwürfen sexueller Belästigung vermeintlich zu Gunsten derjenigen, die diese Vorwürfe erhoben, brachten jedoch nicht nur für die Beschuldigten ungünstige Entwicklungen, sondern auch oft genug für Beteiligte, die nicht einmal jemanden beschuldigt hatten oder beschuldigt worden waren.