Mehr als 90 Prozent für die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien

Madrid konnte das Referendum nicht verhindern, hat die Kluft aber mit Gewalt weiter vertieft, weshalb nun die einseitige Unabhängigkeitserklärung und ein Generalstreik ab Dienstag auf die Tagesordnung rücken

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Auch Gewalt von Seiten der Guardia Civil und der spanischen Nationalpolizei konnte nicht verhindern, dass Katalonien eindeutig für die Unabhängigkeit gestimmt hat. Alle Versuche Spaniens, das Referendum zu verhindern, haben die Katalanen ausgehebelt und in mehr als 2000 Wahllokalen konnte friedlich, demokratisch und frei abgestimmt werden. Den spanischen Sicherheitskräften ist es nur in 91 Wahllokalen gelungen, die Urnen zu beschlagnahmen. Deutlich effektiver waren die Mossos d'Esquadras. Die katalanische Polizei hat ohne jede Gewalt verhindert, dass 160 Wahllokale geöffnet werden konnten.

Und trotz allem haben es die Katalanen geschafft, fast 2,3 Millionen Stimmen auszuzählen, obwohl auch in verschiedenen besonders gefährdeten Wahllokalen die Abstimmung frühzeitig abgebrochen wurde, da am Abend mit neuen massiven Angriffen von Guardia Civil und Nationalpolizei gerechnet wurden, um die vollen Wahlurnen zu beschlagnahmen. (vgl. Spanische Regierung ist an Kataloniens Bürgern gescheitert).

Eine Vorsitzende des Wahllokals flieht über den Hinterausgang der Schule ins Rathaus, als die Polizisten kommen. Dort verschanzte sie sich mit anderen zur Auszählung.

"Gestohlene" Stimmen

Klarer konnte das Ergebnis nicht sein. Mehr als 90% der Bevölkerung stimmte für die Unabhängigkeit, knapp 177.000 dagegen und knapp 67.000 wählten ungültig (wie etwa meine Gesprächspartnerin Elisa, weil sie ihrer neuen katalanischen Heimat nicht das Recht auf Unabhängigkeit abstreiten, aber auch nicht für die Abtrennung von ihrer alten Heimat Spanien stimmen wollte). Zudem wurden etwa 700.000 Stimmen "gestohlen". Viele Menschen konnten nicht mehr wählen, waren aber schon in Listen registriert, weil die Abstimmung frühzeitig zur Auszählung abgebrochen wurde - trotz langer Schlangen. Man geht davon aus, dass mehr als drei Millionen teilnehmen wollten - über 56% der Bevölkerung im wahlfähigen Alter.

Die befürchteten Angriffe am Abend blieben aus. Der weltweite Aufschrei gegen die Versuche, eine Abstimmung zu unterdrücken, hat offenbar auch in Madrid Wirkung gezeigt. Die spanische Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy, die im Europaparlament zusammen mit Angela Merkels CDU in der christdemokratischen EVP-Fraktion sitzt, konnte es sich offenbar nicht leisten, dass es noch mehr Bilder und Videos gibt, die zeigen, wie ihre Truppen - die Guardia Civil ist eine Militäreinheit und untersteht dem Verteidigungsministerium - gegen friedliche Menschen bei einer demokratischen Abstimmung vorgehen.