Klimaziele werden nicht erreicht

Tagebauwüste. Bild: SRU

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Kohleausstieg, Tagebauen, stagnierender Energiewende, verhafteten VW-Managern, Diesel-Subventionen und einem grünenden China

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Noch ist offen, ob es tatsächlich in Berlin zu einer Jamaica-Koalition der Unionsparteien mit den Grünen und der FDP kommen wird, und vor den Niedersächsischen Landtagswahlen am 15. Oktober werden sich die potenziellen Koalitionäre sicherlich nicht viel bewegen.

Nur einige Unionspolitiker versuchen schon mal mit markigen Sprüchen Pflöcke abzustecken. Insbesondere in Bayern und Sachsen scheint man weder Euro-Krise noch Armut, weder Arbeitslosigkeit noch Wohnungsnot, weder Klima-Krise noch Zukunftssorgen der Automobilindustrie zu kennen, sondern keine größeren Probleme zu haben, als dass Deutschland sich verändern oder dass auf einmal die Hälfte der Bevölkerung mit Burkas herum laufen könnte.

Wie dem auch sei, andere machen sich derweil über die realen Probleme Gedanken, vor denen das Land steht. Der Sachverständigen Rat für Umweltfragen fordert in einer ausführlichen Stellungnahme den Ausstieg aus der Kohle unverzüglich einzuleiten. Die beginnende Legislaturperiode sei die letzte Chance, die Weichen für eine "angemessene Umsetzung der Pariser Klimaziele in Deutschland zu stellen".

Deutschland muss die Stromerzeugung aus Kohle schnellstens reduzieren und mittelfristig beenden, sonst sind die Klimaziele in Deutschland nicht zu erreichen. Der strukturverträgliche Kohleausstieg sollte daher unverzüglich eingeleitet werden. Das letzte Kraftwerk muss in spätestens 20 Jahren vom Netz gehen.

Claudia Kemfert, SRU-Mitglied, Ökonomin und Abteilungsleiterin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung

Dem Sachverständigenrat schwebt ein Budgetansatz vor. Demnach sollte zum einen ein Menge an Treibhausgasen festgelegt werden, die insgesamt noch von deutschen Kohlekraftwerken ausgestoßen werden dürfe. Angemessen seien hierfür zwei Milliarden Tonnen, was in etwa dem Sechsfachen der derzeitigen jährlichen Emissionen der Energiewirtschaft entspricht.

Zum anderen sollten die besonders ineffizienten und daher emissionsintensiven Kraftwerke bis 2020 abgeschaltet und die moderneren Anlagen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit noch bis 2030 mit verminderter Auslastung weiter genutzt werden.

Wichtig sei ein strukturierter, langfristig angelegter Ausstiegspfad. Dieser könne den Beteiligten Planungssicherheit geben, wobei der Ausstieg, so die Forderung der Wissenschaftler des Beirats, auch mit einem organisierten Strukturwandel einhergehen müsse. Angesichts der Erfahrungen mit dem Niedergang des Bergbaus an Ruhr und Saar, den Werften an der Küste und fast der gesamten Industrie in Ostdeutschland nach 1990 ist das eigentlich eine Binsenweisheit, die aber von den Politikern der allermeisten Parteien und auch Teilen der Öffentlichkeit noch immer nicht verinnerlicht ist.

Das zeigen nicht nur das auch industriepolitisch vollkommen desaströse Programm der radikalen Rechten, sondern auch der Umgang der letzten beiden Merkel-Regierungen mit der Solar- und Windenergie. Statt deren kontinuierlichen Aufbau als Alternative zu den obsoleten Industrien zu befördern, wurden ihnen immer wieder Steine in den Weg gelegt, die insbesondere bei Ersteren zu einem massiven Abbau von Arbeitsplätzen und Kapazitäten führte.

Besonderen Bedarf für einen organisierten Strukturwandel gibt es in den ostdeutschen Braunkohleregionen, in denen Arbeitsplätze ohnehin eher eine Mangelware sind. Nach Ansicht des SRUs sollte dort kein Tagebau mehr erweitert oder gar neue erschlossen werden. Die bereits genehmigte Abbaumenge in den existierenden Gruben reiche aus, um die Kraftwerke unter der Maßgabe des vorgelegten Ausstiegsplans zu befeuern.

Das sieht man beim Bündnis "Strukturwandel jetzt - Kein Nochten II" ganz ähnlich. In einer Stellungnahme hat es zu Beginn der Woche gefordert, die Anwohner des Tagbaus Nochten im östlichen Sachsen besser zu schützen. In den Orten Rohne, Mulkwitz und Schleife solle, so die Forderung, die bisher vorgesehene Abbaugrenze zurückgelegt werden.

Auch in Nordrhein-Westfalen gelte ein Mindestabstand zwischen den Siedlungen und dem dortigen Tagebau Garzweiler. In Sachsen und Bayern, so lässt sich anfügen, müssen neue Windkraftanlagen sogar einen Abstand von rund zwei Kilometern zur nächsten Siedlung halten. In Nochten ist hingegen geplant, die riesigen Abraumbagger bis auf 200 Meter an die Häuser heranrücken zu lassen.