Rechtsbürgerliche Planspiele

Union und AfD könnten auch im Bundestag ideologisch schnell zusammenfinden

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Mit dem Einzug der AfD-Fraktion in den Deutschen Bundestag könnten sich trotz Abgrenzungsbekundungen aus der Union neue rechtskonservative Allianzen ergeben. Darauf weisen ideologische Projekte aus der CDU und erste Zweckbündnisse auf regionaler Ebene hin.

So stimmten CDU-Abgeordnete und Vertreter der rechtspopulistischen AfD in Thüringen unlängst bereits gegen die Errichtung eines Mahnmals für die Opfer der rechtsterroristischen Gruppierung NSU (Schwarz-Braun macht mobil). Wenige Wochen zuvor hatte CDU-Innenminister Thomas de Maizière in Berlin mit Schülern aus Hessen an einem Planspiel zu "Linksextremismus" teilgenommen, bei dem auch Argumente gesammelt wurden, weshalb man von einer Teilnahme an antifaschistischen Demonstrationen absehen sollte. Was zeigt: Die Phalanx von konservativen Antikommunismus und neurechtem Hass gegen das "links-grün-versiffte Establishment" zeigt bereits Wirkung.

Zum Planspiel mit dem Titel "Linke Militanz in Geschichte und Gegenwart. Aufklärung gefährdeter Jugendlicher über Linksextremismus und Gewalt" hatte de Maizière Anfang September in die Stasi-Gedenkstätte im Berliner Stadtteil Hohenschönhausen eingeladen. Titel und Ortswahl schon wiesen auf den ideologischen Ansatz hin, weswegen die Dresdner Neusten Nachrichten (DNN) und der Linken-Bundestagsabgeordnete André Hahn den Fall aufgriffen. Das Innenministerium (BMI) wiegelte ab: Die Debatte über eine Nicht-Teilnahme an Anti-Nazi-Protesten sei nur eine Variante unter mehreren gewesen, die Kritik fuße auf einer "grob verzerrenden Einschätzung der Situation". Allerdings wiesen die DNN auch darauf hin, dass de Maizière nach dem Berliner Termin die Notwendigkeit einer "präventiven Arbeit gegen Linksextremismus" betont hatte.

Der Abgeordnete Hahn, der sich für die Linke im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste in der auslaufenden Wahlperiode eingehend mit dem rechtsterroristischen NSU beschäftigt hatte, hält die Replik des BMI für unglaubwürdig. De Maizière habe bereits 2014 an einem Podium teilgenommen, bei dem Sinti-und-Roma-feindliche Wahlwerbung der neofaschistischen NPD problematisiert wurde. 2017 hätte die NPD die gleichen Plakate wieder verwendet, ohne dass der Bund eingeschritten sei. Dazu passe, dass der CDU-Politiker "so gut wie nie an Gedenkveranstaltungen und in Gedenkstätten für die Opfer des Faschismus" zu sehen gewesen sei.

In einer selten ausführlichen Antwort auf eine schriftliche Frage Hahns hatte das BMI auf "regelmäßige deutliche Warnungen des Bundesministers des Inneren vor Rechtsextremismus" verwiesen, etwa bei der Präsentation der jährlichen Statistik über politisch motivierte Kriminalität (PMK-Statistik).

Hinter dem Streit steht eine grundsätzliche Debatte um Extremismus, in dem zumindest die Zahlen eine eindeutige Sprache sprechen. Bei der letzten PMK-Statistik vom April dieses Jahres wiesen Bund und Länder darauf hin, dass mit 23.555 Fällen die meisten politisch motivierten Straftaten im vergangenen Jahr durch Neonazis und andere Rechte verübt wurden. Dem gegenüber standen der genannten Statistik gemäß 9.389 links motivierte Delikte. Selbst diese Statistik wurde von Medien allerdings bereits hinterfragt, weil in die Zahl offenbar auch Aktionen des zivilen Ungehorsams etwa gegen Neonazi-Aufmärsche einfließen. Durch rechte Gewalt sind seit 1990 in Deutschland offiziell 75 Menschen getötet worden, NGOs sprechen von mindestens 188 Opfern.