Wie das Wall Street Journal einen Cyberwar mit Russland herbeischreiben will

Ein M2A3 Bradley Schützenpanzer der 5th Squadron auf dem Presidenski-Truppenübungsplatz, Trzebian, Polen. Bild: DoD

Russland soll eine "Kampagne" gegen die Smartphones von Nato-Soldaten führen, um operative Informationen zu gewinnen und Soldaten einzuschüchtern

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Russland habe eine neue Front eröffnet, heißt es aus Nato-Kreisen. Angeblich greife das russische Militär nun die Smartphones der in Polen und den baltischen Staaten stationierten Nato-Soldaten an. Die Nato hat vier Bataillone mit jeweils 1000 Mann in den vier Ländern stationiert, um gegenüber Russland eine Drohkulisse aufzubauen.

Gerade ist eine größere russische Militärübung in Weißrussland beendet worden, wo aus Nato-Kreisen schon gewarnt wurde, dass am Zapad-Manöver bis zu 100.000 Soldaten teilnehmen würden. Man phantasierte auch, dass bei dieser Gelegenheit Russland in die baltischen Staaten einmarschieren und die "Suwalki-Lücke" schließen könnten oder dass russische Soldaten in Weißrussland, ähnlich wie die Nato-Soldaten, stationiert bleiben könnten (Nato übt die Verteidigung der Suwalki-Lücke). Besonders hervorgetan hatte sich Generalleutnant Ben Hodges, der Kommandeur der US-Armee in Europa (Wer hat Angst vor dem russischen Manöver Zapad?).

Das Manöver ist zu Ende, nichts ist passiert, obgleich mächtig Angst geschürt und so getan wurde, als ob einzig Moskau seine Muskeln mit Manövern spielen lassen würde (Putins großes Manöver soll den Westen einschüchtern). Es wurde aufgetischt, dass Russland mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze aufmarschieren lässt, und suggeriert, dass auch die Übernahme der Krim - wo immerhin der große Marinestützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte ist - nach einem derartigen Manöver erfolgt sei.

Kampagne zur Belästigung und Einschüchterung von Nato-Soldaten

Wenig verwunderlich, dass die Nato nun neue Bedrohungen aufbaut, das Wall Street Journal ist ganz vorne mit dabei (Russische Hacker sollen NSA-Dateien gestohlen haben). Wie das Wall Street Journal mit Hinweis auf anonym bleibende Quellen aus der Nato und der US-Regierung berichtet, soll Russland eine "Kampagne" gegen die Smartphones von Nato-Soldaten ausgeführt zu haben, um operative Informationen zu gewinnen, die Truppenstärke zu erfahren und Soldaten einzuschüchtern. Man sei sich sicher, so das WSJ in dem nicht hinter der Paywall versteckten Artikel, dass Russland wegen der erforderlichen Technik und der Drohnen mit elektronischen Überwachungsmitteln dahintersteckt.

Hingewiesen wird etwa auf einen Leutnant Christopher L'Heureux, Kommandeur eines Nato-Stützpunktes in Polen, dessen privates Handy gehackt und der überdies verfolgt worden sei: "Sie haben mich geolocated, wer immer es gewesen ist." Bei mindestens 6 Soldaten, die er befehligte, seien private Smartphones oder Facebook-Accounts gehackt worden. Das ist, zusammen mit dem kaum begründeten Vorwurf Richtung nach Russland, ziemlich wenig für den Wirbel, der hier gemacht wird..

Es stellt sich schon einmal die Frage, inwieweit gehackte persönliche Smartphones von Nato-Soldaten das militärische Verhalten verändern können. Selbst wenn von einem persönlichen Account eines hohen Offiziers Fake-News-Meldungen ausgehen, sollten diese eigentlich keine größere Beachtung in der Truppe finden. Allerdings könnte ein gehacktes Smartphone Informationen liefern, wenn es der Besitzer in ein militärisches Sperrgebiet mitnimmt.

Angeblich hätten sich Soldaten bereits im Januar, kurz vor der Ankunft von britischen und französischen Soldaten, über "Seltsames" bei ihren Smartphones beklagt. Angeblich, so will WSJ von einem Offizier erfahren haben, habe "Russland" mit einer mobilen Telefonantenne die Daten von Handys in dem Gebiet abgegriffen und Informationen entwendet. Nach dem Offizier scheint man an den Kontakten interessiert gewesen zu sein. Als Beleg für die Geschichte wird auf einen Soldaten aus Estland verwiesen, der an der russischen Grenze stationiert war und auf dessen Handy plötzlich Hip-Hop-Musik lief, die er nicht heruntergeladen hatte. Zudem seien Kontakte verschwunden.

Auf dem Stützpunkt in Estland hat man nach Angaben des WSJ schließlich den Soldaten befohlen, ihre SIM-Karten aus den Handys zu entfernen. Internetbenutzung ist nur noch an gesicherten Hot Spots erlaubt, Ortsbestimmung (geolocation) ist verboten. Angeblich mussten estnische Wehrpflichtige während Übungen auch schon mal in einen See springen, um zu prüfen, ob sie der "Keine Smartphones"-Regel Folge leisten, allerdings würden manche die Regel umgehen und ihre Smartphones in Kondome stecken.

In Reichweite russischer Antennen und Drohnen

Vermutlich russische Agenten würden Informationen aus Kontaktlisten, Social Media oder persönlicher Kommunikation auch zum Zweck der Einschüchterung nutzen, indem sie Soldaten kontaktierten und beiläufig Einzelheiten aus deren Leben fallen ließen, so die WSJ. Man erfährt allerdings nicht, wie weit verbreitet dies sein soll, bei Belegen ist man knapp und beschränkt sich auf einzelne Geschichten, die man glauben kann oder nicht.

Zitiert wird Keir Giles vom Chatham House, dort zuständig für Russland und Eurasien. Er hat Soldaten einiger Nato-Länder vor ihrem Einsatz in Polen und den baltischen Ländern, "wo sie in Reichweite russischer Antennen und Drohnen sind, die Daten von nicht durch militärische Verschlüsselung geschützten Mobilgeräten absaugen können", über Infowar aufgeklärt. Nach ihm hat Russland schon immer versucht, Nato-Soldaten auszuspähen: "Aber eine solche Kampagne zur Belästigung und Einschüchterung hat es in letzter Zeit nicht gegeben."

Auch hier wird nicht weiter der Umfang der "Kampagne" erörtert und schon gar nicht berichtet, welchen Cyberaktivitäten die Nato nachgeht, die hier nur als Opfer einer russischen Kriegsführung dargestellt wird. Offenbar soll weiterhin die Angst vor Russland geschürt und die Bedrohungskulisse verstärkt werden. Die Murdoch-Zeitung macht mit solchen Artikeln eigentlich nicht nur Propaganda, statt kritischer Aufklärung, sondern wird auch Teil der hybriden Kriegsführung der Nato bzw. von Nato-Kreisen, die an der Aufrechterhaltung des Konflikts mit Russland interessiert sind und die Situation schon als Krieg sehen möchten. So wird auch die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaitė, die sagte: "Wir sind bereits in einem nichtkonventionellen Cyberkrieg. Wir wissen, in welcher Nachbarschaft wir leben."

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