CDU/CSU: Treffen in der Krise

Merkel und Seehofer auf dem CSU-Parteitag im November 2015, Eine Überschrift zu diesem Treffen lautete damals "Seehofer demütigt Kanzlerin". Diese Zeiten dürften vorbei sein. Bild: Harald Bischoff / CC BY-SA 3.0

Am Sonntag sollen gemeinsame Positionen abgestimmt werden. Die Ursachen des Wahldebakels sind noch gar nicht begriffen. Die CSU besteht auf Diskussionen über die "Obergrenze"

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Die Unionsparteien kauen noch an den Gründen, weshalb ihnen so viele Wähler abhanden gekommen sind. "Die inhaltliche Wahlanalyse" ist nach Auffassung von Peter Gauweiler aus der alten Garde der CSU noch nicht abgeschlossen, wie sich aus seinem SZ-Interview herauslesen lässt. Sein Satz zur Lage lautet:

Man kann nach dem Wahldesaster nicht einfach weitermachen und jetzt für die Kulisse den Wortfetisch-Streit über das Wort 'Obergrenze' weiterführen.

Peter Gauweiler

Genau dieser Streit über den Fetisch "Obergrenze" dominiert nun die innenpolitische Berichterstattung vor dem Spitzentreffen der Union am morgigen Sonntag, um gemeinsame Positionen vor Koalitionsgesprächen mit der FDP und Grünen auszumachen.

Stillstand in der Regierungspolitik

Bis in den Gesprächen der Union mit der FDP und den Grünen dann gemeinsame Positionen für einen Koalitionsvertrag ausgehandelt sind, könnte es bis Weihnachten dauern, war seit dem Wahlsonntag öfter zu hören. Das heißt, dass bis dahin die Große Koalition im Amt bleibt. Und das bedeutet Stillstand.

Schon jetzt bewegt sich innenpolitisch nicht viel. Dabei gebe es eine Menge auf den Weg zu bringen, beispielsweise bei den vielen maroden und unterversorgten Schulen, den maroden Straßen oder bei der Versorgung mit schnellen Internetverbindungen.

An der Obergrenze "Zaubertrank" tanken?

"Fetisch" definiert der Duden als "Gegenstand, dem magische Kräfte zugeschrieben werden, subjektiv besondere Bedeutung beigemessen wird; Götzenbild". Tatsächlich entsteht bei manchen Wortmeldungen, die von CSU-Politiker an diesem Samstag zur "Obergrenze" geäußert wurden, der Eindruck, dass damit zaubertrankmäßig zurückkommen soll, womit man sich jahrzehntelang gerne brüstete: "Stärke und Entschlossenheit", bayerisch: "Wer ko, der ko" (Wer kann, der kann).

Aber keiner weiß genau, wie die "Obergrenze" genau definiert werden soll. Klar ist nur, dass die Grünen dagegen sind, die FDP auch und vor allem Kanzlerin Merkel. Aber die CSU unter Führung Seehofers setzt nun offensichtlich darauf, dass man genau mit diesem Streitpunkt, dem gegenwärtig keine politische Dringlichkeit zukommt, Eigenwilligkeit markiert.

Es geht Führungsmitgliedern der CSU darum, politisch-prinzipiell Flagge zu zeigen, wie Aussagen ihrer Mitglieder verdeutlichen. Auffallend ist, dass sie inhaltlich vage bleiben, denn man will ja auch nichts verspielen, nur mal markieren, wo die eigenen Grenzen liegen.

CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann stellt in der "Welt" klar, die Forderung seiner Partei bleibt, auch wenn dem Kind vielleicht ein neuer Name verpasst wird: "Es geht um das politische Ziel und greifbare Ergebnisse, nicht um Begrifflichkeiten."

Tagesschau

Auch Dobrindt will sich nicht festlegen, betont aber, dass man auf der Position bleiben will:

Landesgruppenchef Alexander Dobrindt etwa, der sich auch schon in den Tagen davor geäußert hatte, sagte: Um die Probleme unter Kontrolle zu bekommen, sei neben einer Reihe weiterer Maßnahmen auch eine solche Grenze nötig. Spekulationen, die CSU könnte ein Stück weit von ihrer bisherigen Position abrücken, um ein Hindernis für eine Jamaikakoalition aus dem Weg zu räumen, wies er zurück: "Ein klares Nein", so Dobrindt in der "Augsburger Allgemeinen".

Spiegel online

Zu diesen Ansagen gesellen sich dann andere, die wohl in Hinsicht auf die Koalitionsverhandlungen mit der FDP und den Grünen, relativieren:

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), sagte der "Passauer Neuen Presse" vom Samstag: "Der CSU ging es nie darum, für die tatsächlich Asylberechtigten eine Obergrenze festzulegen."

FAZ

"Kontingente" statt Obergrenzen?

Nach Mayers Darstellung erhalten "weniger als ein Prozent der Antragsteller" Asyl wegen politischer Verfolgung. Entscheidender sei "der weit überwiegende Großteil, der nach der Genfer Flüchtlingskonvention als Flüchtling anerkannt wird oder eine kurzzeitige Aufenthaltserlaubnis beispielsweise als Bürgerkriegsflüchtling erhält".

Auch sein Parteikollege und Europa-Politiker CSU-Vizechef Manfred Weber dreht das Thema "Obergrenze" in Richtung Kontingente nach kanadischem Vorbild:

Wir bieten dem UNHCR ein jährliches Kontingent an, wie viele Flüchtlinge wir als Europäer bereit sind aufzunehmen. Das kann durchaus ein großherziges Angebot sein.

Manfred Weber

Es geht ums politische Überleben des Team Seehofer

Der CSU-Chef Seehofer selbst zeigte sich nach Informationen der Tagesschau vor dem Spitzentreffen der Union "im Kern unnachgiebig". Er sprach deutlich aus, worum es bei dem Thema auch geht, nämlich um sein politisches Überleben.

"Ich kann ohne eine Lösung zur Obergrenze zu meiner Basis nicht zurück", sagte er in München. Ob er auf dem Wort Obergrenze bestehen wird, ließ er allerdings offen. "Ich sag' jetzt zu Worten und zu Lösungen gar nichts - ich kann Ihnen nur beschreiben, was zu lösen ist."Tagesschau

Der eingangs erwähnte Gauweiler verspricht sich nicht viel von der Sitzung der beiden Unionsparteien: "Das wird wieder ein Schattenboxen für Leichtgläubige."

Die zitierten Aussagen lassen solches erahnen.