USA: Strategisches Ziel Nachverhandlungen des Atomvertrags mit Iran?

Khorramshahr Rakete. Bild: Tasnim News Agency / CC BY 4.0

Zwischen den USA und Iran schaukeln sich verbale Drohungen hoch. Das Außenministerium in Teheran droht mit einer "vernichtenden Antwort", falls die Revolutionären Garden zur Terrororganisation erklärt werden

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Es gibt noch immer US-Politiker, die von einem "Regime Change" in Iran träumen. Der ehemalige Homeland-Minister unter George W. Bush, Tom Ridge, durfte seinen politischen Träumen in einem Meinungsbeitrag bei Newsweek freien Lauf lassen.

Wie gehabt schlägt Ridge als Partner den sogenannten "Nationalen Widerstandsrat Iran" (NCRI) vor, dessen Zweig, die Volksmodschahedin (MEK), manchem bekannt sein dürften. Die Exil-Opposition ist sehr umstritten, viele ihrer Tätigkeiten bleiben im Dunklen, ein verlässlicher, seriöser Partner ist diese Truppe nicht, aber sie hat angeblich Einfluss in Washington. Nachgesagt werden ihr enge Verbindungen zu US-Neokonservativen (auch zur EU soll es gute Beziehungen geben).

Die Regime-Change-Politik hat keine realistische Aussicht mehr

Nun ist Tom Ridge kein tonangebender Politiker. Sein Beitrag zeigt aber, dass der Gedanke an einen von außen herbeigeführten Machtwechsel in Teheran von einem großen US-Medium nicht als das verworfen wird, was er ist, nämlich obsolet, völlig der Realität nachhinkend. Stattdessen wird er veröffentlicht. Die Frage ist, ob dieser mittlerweile von der geopolitischen und militärischen Wirklichkeit im Nahen Osten überholte Regime-Change-Wunsch in der US-Regierung überhaupt relevante Mitspieler hat.

Manches mag zwar dafür sprechen, so sagt man der Trump-Regierung hier und dort nach, dass die Neokonservativen in der Administration wieder größeren Einfluss hätten und Trump selbst ist der iranischen Regierung alles andere als freundlich gewogen, wie er aller Welt zur Genüge deutlich gemacht hat (siehe seinen "Achse des Bösen-Auftritt" vor der UN im September oder sein "Gute-Welt-Auftritt" beim arabischen Gipfel in Riad im Mai).

Aber: In seinem Wahlkampf hatte sich Trump gegen militärische Interventionen und eine US-Politik des Regimewechsels ausgesprochen. Die USA sollten sich "auf den Kampf gegen Terroristen konzentrieren und davon ablassen, Regimewechsel in anderen Ländern voranzutreiben". Zweifel daran, ob auf Trumps Wahlkampfversprechen Verlass ist, haben ihre Grundlage in den weitaus aggressiveren Tönen, die von Trump Richtung Teheran geäußert werden. Obama war da zurückhaltender.

Trump hat wiederholt erklärt, dass Iran für die Instabilität des Nahen Ostens verantwortlich sei und "Terrorgruppen unterstützt und finanziert". Das Terrorismus-Etikett eröffnet ihm rhetorisch den Spielraum für "alle Optionen", aber praktisch ist dieser Spielraum sehr eng.

Dank des Regime-Change im Irak im letzten Jahrzehnt und des völlig missglückten Regime-Change-Versuchs in Syrien hat sich Iran eine auf vielen Ebenen abgesicherte politische und militärische Position in beiden Ländern aufgebaut, welche die Handlungsmöglichkeiten der USA stark einschränkt.

Die Ausstiegsdrohung

Dennoch setzt Trump auf Drohungen. In den nächsten Tagen sollte er, wie dies das US-Gesetz Iran Nuclear Agreement Review Act of 2015 (INRA) vorsieht, das Atomabkommen bestätigten, "zertifizieren". Dies ist im Abstand von neunzig Tagen vorgesehen. In diesem Rhythmus soll überprüft werden, ob Iran seine Verpflichtungen im Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) erfüllt, der Präsident bestätigt dies dann mit der Zertifikation.

Der Präsident kann die Unterschrift aber verweigern ("decertification"), wenn er der Auffassung ist, dass Iran den Verpflichtungen nicht nachkommt und die nationale Sicherheit der USA gefährdet ist. Dann ist zwar der Vertrag noch nicht aufgekündigt, der Kongress hat 60 Tage, um über den nächsten Schritt zu entscheiden, und dafür gibt es mehrere Möglichkeiten, aber das Risiko, dass der Atomvertrag tatsächlich politisch aufgekündigt wird, steigt stark. Umso mehr als damit die Wiedereinsetzung der aufgehobenen Sanktionen gegen Iran auch mit ins Spiel kommt.

Trump hat nun mehrmals angedeutet, dass er daran denkt, die anstehende Zertifikation anders als im Juli diesmal nicht zu leisten. Der noch amtierende deutsche Außenminister Gabriel rechnet laut Spiegel mit einem Ausstieg der USA aus dem "Atomdeal":

Die Vereinigten Staaten werden vermutlich in der kommenden Woche - das ist meine große Sorge - das Iran-Abkommen kündigen.

Sigmar Gabriel

Das Raketenprogramm Irans ist das Ziel

Allerdings gibt es dafür in der US-Regierung keine eindeutigen Signale. Trumps Verteidigungsminister Mattis wiedersprach einer Politik, die zu einer Aufkündigung des Atomvertrages führen könnte. Auch Außenminister Tillerson vertritt eine andere Linie als Trump. Pentagon-Chef Mattis und Generalstabschef Dunford gaben beide zu Protokoll, dass sich Iran an die JCPOA-Verpflichtungen halte.

Aufgemischt wird dieses Spiel von einer weiteren Drohung an Iran. Dabei geht es um die Deklaration der Revolutionären Garden (IRGC) als Terrorgruppe. Die ist mit einem Sanktionsgesetz namens "Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act" verbunden.

Bislang werden nur einzelne Personen der IRGC und die al-Quds-Miliz der IRGC als Terroristen geführt, eine Erklärung der gesamten Revolutionären Garden zu einer terroristischen Organisation hätte weitreichende Konsequenzen, auch wirtschaftlich, da die Militärs auch ein wirtschaftlich bedeutender Faktor sind. Sanktionen würden empfindlich treffen.

Entsprechend laut sind die Reaktionen auf entsprechende Signale der US-Regierung. Die USA hätten in diesem Fall eine "starke, entschlossene und vernichtende Antwort" zu erwarten, so die Drohung aus dem Teheraner Außenministerium.

Der Kommandeur der Revolutionären Garden, Mohammad Ali Jafari, drohte laut Medien damit, dass die IRGC im Falle, dass die USA sie zu einer terroristischen Gruppe erklären, "die US-Armee auf der ganzen Welt und besonders im Nahen Osten wie den IS behandeln würden". Laut Ha'aretz präzisierte der IRGC-Kommandeur:

Wenn das neue Sanktionsgesetz in den USA durchgeht, dann wird dieses Land sämtliche Basen in der Region außerhalb einer 2.000-Kilometer-Reichweite der iranischen Raketen verlegen müssen.

Mohammad Ali Jafari

Genau auf die Bedrohung durch iranische Raketen dürfte auch die Strategie der US-Regierung ausgerichtet sein. Ziel ist es, die iranische Regierung unter Druck zu setzen, um eine Nachverhandlung des Atomabkommens zu erreichen, die das Raketenprogramm einschließt. Dahinter stehen auch israelische Interessen, wo man sich ebenfalls klar darüber sein dürfte, dass militärische Mittel gegen eine vom Kampf in Syrien gestärkte Hisbollah mit großen Risiken verbunden sind.

Das Stichwort Nachverhandlung des Atomvertrags mit Iran fällt in letzter Zeit häufig (wie etwa auch beim aktuellen Streit zwischen Bob Corker und Trump im New York Times-Bericht dazu).

Ob sich die iranische Führung zu solchen Nachverhandlungen drängen lässt, ist eine andere Frage. Wie die USA es anstellen wollen, Iran zu Konzessionen zu bringen, verrät möglicherweise Donald Trump bei seiner Rede, die für diese Woche angekündigt ist und sich mit der US-Strategie gegenüber Iran beschäftigen soll.