Mit Linken oder Rechtsnationalen reden

Bild: Björn Höcke

Die eigentlich Multi-Kulti orientierte Buchmesse demonstriert das Ende der Gemütlichkeit und die sich vertiefende Polarisierung zwischen Welt- und Nationalbürgern - Thema des Telepolis-Salons

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wie schon fast vorauszusehen, haben sich auf der Buchmesse linke und rechtsnationale Gruppierungen Scharmützel geliefert. Die globale Multi-Kulti-Veranstaltung der kulturellen Weltbürger wurde damit zur Bühne von ideologischen Auseinandersetzungen, die auch in Gewalt umschlugen. Fast schon provoziert wurde dies dadurch, dass der Antaios-Verlag, das intellektuelle Schlachtschiff der Identitären, gegenüber dem Stand der in rechten Kreisen verhassten Amadeu-Antonio-Stiftung positioniert wurde, die gegen Rassismus und Rechtsextremismus agiert.

Ein vom Antaios-Verlag veröffentlichtes Buch des Historikers Rolf Peter Sieferl, der 2016 Suizid beging, hatte schon im Vorfeld für Unruhe und Werbung gesorgt. Ein Spiegelredakteur hatte "Finis Germania" auf die Sachbuchbestenliste von NDR und SZ gebracht, die auch Telepolis veröffentlichte, was diese zur Auflösung brachte. Daraufhin kam das Werk des ins Rechtsnationale abgedrifteten Historikers in die Bestsellerliste des Spiegel. Für den Antaios-Verleger Kubitschek ein gefundenes Fressen, um herauszustellen, dass in der Bundesrepublik zensiert wird. Mit dem Bestseller und dem damit eingespielten Geld wollte man dann auch den Durchbruch auf der Buchmesse schaffen - erfolgreich offensichtlich, weil Linke mitspielten.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Frankfurter Buchmesse sahen sich genötigt, eine Mitteilung zu den "Vorfällen" zu veröffentlichen: "Die Frankfurter Buchmesse lebt von der Vielfalt der Meinungen und ist ein Ort des freien Dialogs. Das ist die unveränderliche Haltung der Frankfurter Buchmesse und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels."

Es sei zu Sachbeschädigungen und Übergriffen zwischen Linken und Rechten gekommen und zu Handgreiflichkeiten bei Veranstaltungen der rechten Verlage: "Wir verurteilen jede Form der Gewalt. Sie verhindert den Austausch von politischen Positionen. Wir werden sie als Mittel der Auseinandersetzung nicht zulassen." Schon zuvor hatte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Stände der rechten Verlage mit der Meinungsfreiheit begründet, aber zur "aktiven Auseinandersetzung" aufgerufen. Die ist wohl geschehen, passt aber dann doch nicht.

Mit Linken leben oder mit Rechten reden?

Was war passiert? Schon am Freitag hatte während einer Lesung am Stand der rechten Zeitung "Junge Freiheit" ein offenbar rechter Zuhörer auf Achim Bergmann, den Verleger des linken Trikont-Musikverlags eingeschlagen. Am Samstagnachmittag kam es schließlich zu Tumulten am Antaios-Stand, wo Björn Höcke von der AfD seine Sympathie mit den Identitären bekundete, indem er bei der Vorstellung des Buchs "Mit Linken leben" von Martin Lichtmesz und Caroline Sommerfeld mitmachte.

Das Buch ist auch eine Reaktion auf ein anderes Buch mit dem Titel "Mit Rechten reden" und verspricht eine "Lebenshilfe von rechts" oder gibt sich als "Ratgeber für den politischen Alltag" ("Wer schon immer wissen wollte, warum rechts richtig ist und links wrong, weshalb Linke lügen und heucheln und warum man dumme Fragen lieber unbeantwortet läßt oder mit einer noch dümmeren Frage kontert - hier kommt der Wegweiser"). Gerade diese Annäherungen oder Versuche, die Polarisierung wenn schon nicht zu überwinden, so doch zu thematisieren, scheinen zu provozieren. Jedenfalls musste die Polizei eingreifen, eine Veranstaltung mit den Identitären Martin Sellner und Mario Müller wurde abgebrochen.

Von Donnerstag auf Freitag war in der Nacht bereits der Stand von Tumult und Manuscriptum verwüstet worden. Die Bücher waren zerstört oder entwendet worden. Nach Angaben von Antaios seien auch am Antaios-Stand "Bücher und Zubehör gestohlen oder zerstört und Parolen hinterlassen" worden.

Jan Böhmermann setzte den Tweet ab: "Das Gastland der Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr: Dunkeldeutschland." Der Frankfurter Stadtverordneter Nico Wehnemann von der Partei "Die Partei" soll von Rechten unter "Sieg-Heil"-Rufen geprügelt worden sein. Die Polizei soll weggeschaut haben.

Telepolis versucht am kommenden Mittwoch, den 18. Oktober, im zweiten Telepolis-Salon im Lovelace um 20:30 unter dem Titel Rechts um in ein Gespräch einzutreten, um die Hintergründe zu verstehen, die den Rechtsruck bewirkt haben. Dabei soll es nicht um die Sorgen und Ängste des kleinen Mannes gehen, sondern um die Anziehungskräfte, um die Hintergründe der Wut auf das System und das Verlangen nach Revolte in der konservativ-subversiven Aktion, die auch Alt-Linke anzieht. Als Gäste haben wir eingeladen die Politikwissenschaftlerin Nina Horaczek aus Wien, die beim Falter arbeitet, sich mit dem Rechtsextremismus beschäftigt und gerade mit Walter Ötsch das Buch "Populismus für Anfänger. Anleitung zur Volksverführung" veröffentlicht hat. Und Petr Bystron, den Vorsitzenden des AfD-Landesverbandes Bayern, der nun als Abgeordneter in den Bundestag einzieht.

Die von Höcke geforderte "Gelassenheit" richtet sich nur in die Partei: "Denn es gibt augenscheinlich noch einige unter uns, die sich nicht von einer aufoktroyierten Rechtfertigungshaltung befreien können. Diese Zögerlichen möchte ich nochmal daran erinnern, daß wir uns als Mitglieder einer jungen Partei, die noch niemals in Regierungsverantwortung war, grundsätzlich nicht zu rechtfertigen brauchen. Rechtfertigen müssen sich alleine diejenigen, die für die Zerstörung unserer heimatlichen Landschaft, für die Schieflage unserer Sozialsysteme, für das Verzocken unseres Volksvermögens, für die millionenfache kulturfremde Einwanderung, kurz, für die Auflösung Deutschlands verantwortlich sind."