Symbol des Scheiterns: UN-Mission in Haiti endet nach 13 Jahren

Der Blauhelmeinsatz Minustah hatte für anhaltende Proteste gesorgt. Gewalt, sexueller Missbrauch und eine tödliche Cholera-Epidemie

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Rund 10.000 Tote durch eine eingeschleppte Cholera-Epidemie, Übergriffe auf Demonstrationen, Gewalt in Armenvierteln, sexueller Missbrauch und Prostitution – die Liste der Verfehlungen und Skandale wiegt schwer nach den 13 Jahren der UN-Blauhelmmission Minustah in Haiti.

Der in der Karibiknation heftig umstrittene Einsatz soll nach dem Rückzug mehrerer Teilnehmer in eine Polizeimission überführt werden. Doch die Minustah-Truppe hat dem Ansehen der UN-Blauhelme nachhaltig geschadet. Dazu hat auch der Umgang der UN mit den Skandalen in Haiti beigetragen.

Eine positive Bilanz zog erwartungsgemäß die Leiterin der Minustah, Sandra Honoré. Zu Beginn der Mission 2004 habe Haiti "unter tiefgreifender Instabilität mit weitreichender politischer Gewalt und einem Klima der Straffreiheit" gelitten, so Honoré zum Ende der Mission vor dem UN-Sicherheitsrat in New York.

Ihrer Einschätzung nach hat der Einsatz der Blauhelme erheblich zur politischen Stabilität beitragen können, dennoch bleibe die Situation fragil. Die Minustah soll nun durch eine kleinere Polizeimission ersetzt werden, die Minujusth.

Aufrechterhaltung ausländischer Interessen?

Die Minustah war im Jahr 2004 nach dem Sturz von Präsident Jean-Bertrand Aristide beschlossen worden. Vor allem Anhänger des einstigen Armenpriesters, der mit Hilfe der USA und Frankreichs gestürzt worden war, kritisierten die UN-Mission als Fortsetzung des Putsches.

Tatsächlich kam es im Laufe der 13 Jahre immer wieder zu bewaffneten Einsätzen in Hochburgen des Aristide-Lagers wie den Stadtteilen Cité Solei, Bel Air oder Martissant der Hauptstadt Port-au-Prince. Dabei soll es wiederholt Todesopfer gegeben haben. Vor allem Anhänger des ehemaligen Präsidenten Aristide bezeichneten die Minustah daher von Beginn an als Besatzungsmacht – und warfen damit grundsätzliche Fragen zur Funktion von Blauhelmmissionen der UN auf.

Vertreter der Zivilgesellschaft in Haiti bekräftigten zum Ende der Mission erneut ihre Kritik an dem Einsatz. Für den Direktor der Haitianischen Plattform für Alternative Entwicklung, Camille Chalmers, hatte der gesamte Einsatz nach dem Sturz Aristides im Jahr 2004 einen schlechten Start. Die Minustah sei "als Friedensmission in ein Land entsandt worden, in dem es weder Krieg noch Völkermord gegeben hat".

Chalmers hält die Begründung des UN-Einsatzes in Haiti für konstruiert. Es sei nur darum gegangen, den ausländischen Einfluss auf die Entwicklung nach dem Staatsstreich aufrechtzuerhalten. Die Minustah habe "die Krise (in Haiti) nur verschärft, sie hat dem Land und seinen Einwohnern nie geholfen", sagte Chalmers gegenüber dem lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur.

Auch die argentinische Journalistin Ruth Werner zog schon zum 10. Jahrestag der Mission eine negative Bilanz. Die "Besatzung" Haitis habe dazu gedient, die wirtschaftlichen Interessen der USA, Frankreichs, Kanadas und Brasiliens zu verschleiern.

So habe Brasilien, dessen Armee das Kommando der UN-Truppe innehatte, fast alle international finanzierten Infrastrukturprojekte übernommen. Kanadische und US-amerikanische Unternehmen seien indes an der Ausbeutung von 18 Minen in Haiti beteiligt, die meisten davon Goldminen. Dabei zahlten sie kaum Steuern und seien für Rechtsverstöße kaum belangbar.

Haitis Präsident Jovenel Moïse hatte jüngst vor der UN-Generalversammlung die Verantwortung der UN für die Cholera-Epidemie in seinem Land ins Zentrum seiner Rede gerückt. Nach einem verheerenden Erdbeben im Jahr 2010, das 220.000 Menschenleben forderte, kamen durch die Cholera weitere 10.000 Menschen ums Leben.

Der Zeitpunkt sei gekommen, "dass die Vereinten Nationen die volle Verantwortung für den verursachten Schaden übernehmen", sagte Moïse. Die deutlichen Worte bargen eine gewisse Brisanz, weil UN-Generalsekretär António Guterres zu Beginn der 72. Generalversammlung eine Reform und Ausweitung der UN-Blauhelmmissionen angekündigt hatte.

Die UN hatten sich trotz eindeutiger Beweise lange geweigert, die Verantwortung für die Epidemie zu übernehmen. Zum Auftakt der jüngsten Generalversammlung kündigte Guterres nun eine Reform der UN-Missionen an.