Putin wirft Europa in Bezug auf Unabhängigkeitsbestrebungen einen doppelten Maßstab vor

Der russische Präsident Wladimir Putin sprach beim Treffen des Valdai International Discussion Club auch über Katalonien. Bild: Kreml

Europa und die USA hätten wissen müssen, dass sie mit der Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo ähnliche Bestrebungen auslösen

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Erwartet wird ein Showdown am Samstag. Dann findet in Barcelona wohl eine gewaltige Demonstration zur Unterstützung der katalanischen Regionalregierung und der Unabhängigkeitsbewegung statt, während die spanische Regierung wieder ein Ultimatum gesetzt hat. Sie fordert ein klares Ja oder Nein, ob die Unabhängigkeit erklärt worden ist. Die katalonische Regierung und das Parlament lassen diese Forderung nach Eindeutigkeit ins Leere laufen und wollen damit demonstrieren, dass Spanien in keinen Dialog treten will.

Aus der EU kommen, vornehmlich von Deutschland und Frankreich, die Signale, dass die rechte PP-Regierung unterstützt wird. Kritik am Vorgehen der spanischen Regierung wird hingegen nicht geäußert. Ob das, vor allem nach dem Brexit, klug ist und der Europäischen Union dient, ist höchst fraglich. Problematisch ist auch, die nationale Einheit über den Willen der Bevölkerung einer Region zu stellen bzw. nicht zu fordern, dass ein legitimes Referendum durchgeführt werden kann.

Russland, das über ein Referendum die Krim eingemeindet hat, sieht den Ereignissen in Spanien dementsprechend gespalten zu. Vermutlich ist man nicht traurig, wenn sich die EU über den Brexit und die Katalonen zerlegt, aber man fürchtet Separatisten und Unabhängigkeitsbewegungen, damit Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht noch weiter schrumpft. In Tschetschenien wurde deswegen ein grausamer Krieg geführt.

Wladimir Putin zeigte sich gestern verwundert darüber, dass die Unabhängigkeitsbewegung im Westen verurteilt werde: "Im Hinblick auf Katalonien sehen wir eine einstimmige Verurteilung der Unabhängigkeitsbefürworter durch die Europäische Union und eine Reihe von anderen Staaten." Man hätte das früher bedenken sollen, meinte er: "Warum war sich niemand der seit Jahrhunderten bestehenden Widersprüche innerhalb Europas bewusst? Sie wussten dies, richtig? Ja, sie wussten es."

Europa habe das Zerbrechen von Staaten auf dem Kontinent begrüßt und sich darüber gefreut. Putin verweist dabei auf Kosovo, das sich 2008 einseitig als unabhängig von Serbien erklärte und von vielen Staaten anerkannt wurde, ohne auch nur ein Referendum durchgeführt zu haben. Allerdings hat Spanien noch immer nicht den Kosovo anerkannt, da man wusste, dass dies auch ein Präzedenzfall für die Basken und Katalanen werden könnte. Putin wirft den europäischen Politikern vor, damals gedankenlos gehandelt zu haben, da man hätte wissen können, dass man damit "ähnliche Prozesse in anderen Regionen Europas und in der Welt auslöst".

Auf der anderen Seite habe man die Unabhängigkeitserklärung der Krim, die nach einem Referendum zu einem Teil Russlands wurde, verurteilt. Jetzt habe man Katalonien und Kurdistan: "Diese Liste ist weit von Vollständigkeit entfernt und die Frage entsteht, was wir machen werden und was unsere Reaktion darauf ist. Einmal heiße es, es gebe "richtige Kämpfer für Unabhängigkeit und Freiheit", aber es gebe auch "Separatisten, die ihre Rechte auch nicht mit der Hilfe von demokratischen Mechanismen verteidigen" dürfen. Der Westen handele mit doppelten Maßstäben, die eine ernste Gefahr für eine stabile Entwicklung von Europa und anderen Kontinenten sowie für die Integrationsprozesse in der Welt sind".

Putin will lieber keine Position beziehen. Der Konflikt mit Katalonien sei eine interne Angelegenheit Spaniens und müsse "innerhalb der spanischen Gesetzgebung in Übereinstimmung mit demokratischen Traditionen" gelöst werden. Wenn er sagt, dass die spanische Führung Schritte in diese Richtung mache, wird deutlich, dass er sich nicht hinter die katalonischen Unabhängigkeitsbestrebungen stellt.

Man müsse alle Konflikte auf "zivilisierte Weise" lösen, meinte der russische Präsident. Auch "komplexe Knoten" wie in Syrien und Libyen, auf der koreanischen Halbinsel oder in der Ukraine müssten aufgeknotet und nicht durchhauen werden.