Das NSU-Trio und die seltsamen Spuren eines V-Mannes

Grafik: TP

War der Neonazi Thomas Starke schon für eine Behörde tätig, als Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zu ihm flohen? - Untersuchungsausschuss von Thüringen hinterfragt Widersprüche

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wenn sich Dutzende von Geheimdienst-Quellen um die drei mutmaßlichen Terroristen herum bewegten, müssen sie Spuren hinterlassen haben. Vielleicht gibt es sie, und man muss sie nur richtige deuten.

Als Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe am 26. Januar 1998 vor der Polizei von Jena nach Chemnitz flohen, waren mehrere V-Leute von Verfassungsschutzämtern daran beteiligt oder wussten zumindest davon. Die erste Person, bei der die drei dann in der sächsischen Stadt unterschlüpften, war ein gewisser Thomas Starke, langjähriger Aktivist der rechtsextremen Szene. Im November 2000 wurde er im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen die Band Landser Informant des Landeskriminalamtes (LKA) Berlin, Abteilung Staatsschutz. Das ist gesichert.

Seit 2012 führt die Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen Thomas Starke wegen des Verdachtes auf Unterstützung der terroristischen Vereinigung NSU. Er muss also in den Skandal verwickelt sein, wie tief, erfährt man nicht.

Seit Jahren schwelt die Frage, ob Starke nicht schon damals, im Januar 1998, im Dienst eines Dienstes stand. Belegt ist das bisher nicht. Eine wiederholt kolportierte Formulierung von einer "langjährigen Vertrauensperson", als die die Bundesanwaltschaft (BAW) Starke bei der Anwerbung durch den berliner Staatsschutz bezeichnet haben soll, kann nicht eindeutig Starke zugeschrieben werden. Möglicherweise war eine andere Person gemeint.

Allerdings hat Starke bei den Ermittlungen Spuren hinterlassen, die verdächtig sind. Zur Sprache kamen sie jetzt im NSU-Untersuchungsausschuss von Thüringen.

Im Gegensatz zum Landesamt für Verfassungsschutz vermuteten die Zielfahnder des LKA von Thüringen die drei Untergetauchten von Anfang in Chemnitz. Das bekräftigten erneut damalige Ermittler. Während der Verfassungsschutz die Fahnder in Belgien, Bulgarien, den USA und Südafrika suchen lassen wollte, lief für die "alles Richtung Chemnitz". Sie erfuhren, dass vor allem die Blood and Honour-Aktivisten Jan Werner, Hendrik L. und Thomas Starke zu den drei Gesuchten in Kontakt stehen sollten und überwachten deren Telefone.

Auch gegen Jan Werner läuft ein Ermittlungsverfahren wegen möglicher NSU-Unterstützung, genauso wie gegen Max-Florian Burkhardt.

Am 11. August 1998 registrierten die Fahnder eine SMS Starkes, der sich in Dortmund aufhielt, an Max-Florian Burkhardt mit dem Wortlaut: "Bist du beim Grillen vom Geburtstagskind? Alles Gute von mir, du weißt Bescheid, TS" Burkhardt antwortete: "Aber aber Verwarnung. Probst hatte doch gestern schon - Max"

Der 11. August ist der Geburtstag von Uwe Mundlos. 1998 wurde er 25 Jahre alt. Veranstaltete der Gesuchte an jenem Tag also im Kreis von Kameraden eine Grillparty? Das ist die eine Frage, die sich an die Kriminalisten stellt. Wurde die versteckte Information damals erkannt und überprüft? Doch die andere ist: Warum schreibt der mit allen Wassern gewaschene rechte Kader Thomas Starke eine solch verräterische Nachricht, dass er von einem Kameraden gemaßregelt werden muss? Versehen - oder Absicht?