Bundeswehr nimmt Ausbildung von Peshmerga-Kämpfern wieder auf

Der irakische Premier Abadi, der saudische König Salman und US-Außenminister Tillerson bei dem Treffen zur Bildung eines "Koordinationsrates". Bild: US-Außenministerium

Irak: Das deutsche Verteidigungsministerium spricht von einer beruhigten Lage. Indessen bauen sich am "iranischen Einfluss" im Irak neue Spannungen auf. US-Außenminister Tillerson will, dass die iranischen Milizen "nachhause" gehen

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Die Bundeswehr hat die Ausbildung von Peshmerga-Kämpfern in der Autonomen Region im Nordirak wieder aufgenommen, so die kurze Mitteilung auf der Webseite der Bundeswehr am gestrigen Sonntag. Acht Tage dauerte die Pause.

Die Wiederaufnahme hatte sich bereits am Freitag angedeutet, wie Thomas Wiegold, Betreiber des sicherheitspolitischen Blogs "Augen Geradeaus!", mitteilte. Demnach hatte die deutsche Verteidigungsministerin am Donnerstag mit Masud Barzani, mit dem irakischen Ministerpräsidenten al-Abadi und dem US-Verteidigungsminister James Mattis telefoniert.

Offensichtlich ging man am Sonntag im Verteidigungsministerium davon aus, dass sich die Lage im Nordirak beruhigt hat. Die Aussagen des Ministeriumssprechers Jens Flosdorff vom Freitag, die von "Augen Geradeaus!" wiedergegeben werden, lassen darauf schließen:

Nach den Informationen, die uns vorliegen, hat sich die Gesamtlage im Irak mittlerweile beruhigt, auch die Auseinandersetzung zwischen der autonomen Regierung in Kurdistan, den kurdischen Kräften, die sich außerhalb des unbestrittenen Autonomiegebietes aufgehalten haben, und Regierungstruppen sowie unterschiedlichsten anderen Gruppierungen im Irak. Die Bundeswehr hat in der vergangenen Woche darauf reagiert, indem wir mit der Entscheidung vom vergangenen Freitag, aber mit Wirksamkeit vom vergangenen Sonntag die Ausbildung ausgesetzt haben. Mittlerweile hat sich die Lage schon wieder beruhigt und auch etwas verändert.(…) Wenn sich bis Sonntag keine gravierende Lageänderung ergibt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Ausbildung am Sonntag wieder aufgenommen wird.

Jens Flosdorff, Sprecher des Verteidigungsministeriums

Die Ausbildungsunterstützung findet vor allem in der Hauptstadt der Autonomen Region in Erbil statt. Dort ist die Lage ruhig. Zumindest werden keine militärischen Auseinandersetzungen von dort gemeldet. Die letzten Nachrichten von größeren Kämpfen, die von internationalen Medien verbreitet wurden, stammen aus Altun Kupri im Norden Kirkuks, auf halber Strecke zwischen Kirkuk und Erbil. Dort kam es am Freitag zu Kämpfen zwischen Peshmerga und irakischen Spezialeinheiten sowie den Hashd al-Shaabi-Milizen.

Vorwurf: Mit deutschen Panzerabwehrwaffen gegen irakische Milizen

Sie endeten damit, dass die irakische Armee auch diesen Posten, der zuvor von Peshmerga der KRG-Regierung kontrolliert wurde, übernahm. Wie das kurdische Nachrichtenmedium Rudaw am Montagmorgen meldet, haben die Hashd al-Shaabi-Milizen (auch PMU genannt) nun auch einen Posten auf dem Berg Schingal bei der gleichnamigen Stadt bezogen.

An den schiitischen Milizen baut sich nun, und nicht zu ersten Mal, ein Schlagabtausch an Vorwürfen auf, die dem Bild einer "beruhigten Lage" widersprechen. In dem "Streitpaket" sind übrigens auch Vorwürfe enthalten, die die Bundeswehr betreffen. So werfen die Hashd al-Shaabi und irakische Streitkräfte den Peshmerga vor, dass sie bei den Kämpfen in Altun Kupri deutsche Milan-Panzerabwehrraketen gegen sie eingesetzt haben.

Freilich werden die Vorwürfe von den Peshmerga als "haltlose Gerüchte" zurückgewiesen. Von deren Seite wirft man den Hashd-al-Shaabi vor, dass die schiitischen Milizen einen "ruhigen, friedlichen Ort" angegriffen hätten und die Peshmerga nicht mit dem Kampf begonnen haben, sondern die schiitischen Volksmobilmachungseinheiten, wie der Verbund der schiitischen Milizen auf Deutsch übersetzt wird.

Laut des Statements des Peshmerga-Kommando wurden 12 Abrams-Panzer und Humvees der schiitischen Milizen zerstört. Wie das amerikanische Kriegsgerät aufseiten der Hashd zerstört wurde, wird im Bericht von Kurdistan 24 nicht erklärt. Dass Panzerabwehrwaffen im Spiel waren, ist naheliegend. Der Beweis, dass es deutsche Panzerabwehrwaffen waren, steht gleichwohl aus.

Es muss eine Menge an Verlusten unter den schiitischen Milizen gegeben haben, das geht aus den Aussagen der Peshmerga hervor. Für sie ist das ein Indiz dafür, dass die Hashd federführend bei dem Angriff waren, während sich die Peshmerga als bloße Verteidiger sehen.

Tillerson fordert Abzug der "iranischen Milizen"

Damit sind Kernpunkte des Konflikts angesprochen und auch das Problem der deutschen Unterstützung der Peshmerga. Den schiitischen Milizen werden Aggressivität und territoriale Machtansprüche unterstellt. Die deutsche Unterstützung der KRG-Peshmerga, die mit dem Kampf gegen den IS begründet wird, kann, wie im größeren Maße US-Waffen und -Gerät, bei internen Kämpfen genutzt werden.

Diese Verstrickung wollte man offiziell immer vermeiden. Die Lage wird dadurch kompliziert, dass eine andere Ebene in den innerirakischen Konflikt über die umstrittenen Gebiete im Norden - die jetzt allesamt wieder unter der Kontrolle des irakischen Staates stehen - hineingetragen wird und der Aufhänger dazu sind die PMU-Milizen.

Deutlich machte das US-Außenminister Tillerson, als er am Sonntag bei einer Pressekonferenz mit dem saudi-arabischen Außenminister al-Jubeir den Abzug "iranischer Milizen" aus dem Irak forderte:

Ganz sicher, iranische Milizen, die im Irak sind, müssen jetzt, da sich der Kampf gegen Daesh und(!) ISIS dem Ende zuneigt, nachhause gehen.

Rex W. Tillerson

Verwirrung stiften

Offenkundig wird an der Bemerkung des Außenministers, dass die Konflikte in der Folge des Unabhängigkeitsreferendums in den größeren Rahmen gehören, in dem mehrere Seiten versuchen, ihre geopolitischen Interessen in der "Post-IS-Situation" im Irak und in Syrien durchzusetzen.

Den USA und ihrem derzeit außer Israel (dessen Regierung den KRG beim Unabhängigkeitsreferendum deutlich unterstützt hat) engsten Nahost-Partner Saudi-Arabien geht es darum, die außerordentlich starke Stellung Irans im Irak, so gut es irgendmöglich ist, zu unterminieren.

Dabei nimmt man es dann nicht so genau und stiftet Verwirrung. Die schiitischen PMU-Milizen sind der irakischen Regierung unterstellt. Sie als iranische Milizen zu bezeichnen, ist formal falsch. Ihr oberster Befehlshaber ist der irakische Premierminister al-Abadi. Die Ungenauigkeit, die in der Aussage "iranische Milizen müssen nachhause" steckt, zieht Kreise. Wer am Montagmorgen Nachrichten im Bayerischen Rundfunk hörte, hörte den Satz, dass schiitische Milizen im Irak Iran unterstellt seien.

Es sei daran erinnert, dass die US-Luftwaffe zuletzt bei der Offensive in Mossul gegen den IS auch den schiitischen Milizen als Einheiten der irakischen Armee Luftunterstützung gewährte und dass amerikanische Panzer bei den Hashd al-Shaabi-Milizen zu finden sind, hängt ebenfalls mit dieser offiziellen Position der Milizen als Teil der irakischen Streitkräfte zusammen.