Selfies am laufenden Band

Google will, dass wir uns künftig ständig selbst mit der Kamera beobachten. Die besten Bilder schnappt sich ein Algorithmus.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.
Inhaltsverzeichnis

Genau im richtigen Moment den Fotoapparat für einen gelungenen Schnappschuss zur Hand zu haben, ist nicht einfach – dafür ist das Leben zu chaotisch. Optimale Aufnahmen en masse verspricht die neue Kamera Clips, eine smarte Immer-an-Kamera von Google. Damit will der Suchkonzern seine Geschäftstätigkeit im Bereich intelligenter Heimelektronik erweitern.

Im Normalbetrieb wird der neue Apparat des Internetriesen im Raum aufgestellt und angeschaltet. Ein Befestigungssystem auf der Rückseite sorgt dafür, dass man die Kamera beispielsweise an einem Regal anbringen kann, dass gegenüber dem Sofa liegt – oder einem anderen "actionreichen" Ort. Anschließend überwacht ein integrierter Bilderkennungsalgorithmus der Google Clips das Geschehen und fertigt selbstständig Aufnahmen.

Für Clips gibt es natürlich auch eine eigene App.

(Bild: Google)

Mit künstlicher Intelligenz kann die Kamera auf bestimmte Motive trainiert werden. Die nötige Rechenleistung liefert ein Intel-Chip, der in dem Gerät integriert ist. Die "Vision Processing Unit" (VPU) namens Movidius Myriad 2 soll die Arbeit auf dem Gerät selbst erledigen und nicht etwa Googles Cloud-Dienste verwenden, wie sonst bei dem Konzern üblich. Die Intel-VPU ist für Anwendungen aus dem Bereich der KI und des maschinellen Lernens im visuellen Bereich optimiert. Um einen großen Bereich abzudecken, ist die Clips-Kamera mit einer 130-Grad-Weitwinkellinse ausgestattet.

Bei den Aufnahmen geht die Kamera auf Nummer sicher und dreht kurze Videos – allerdings ohne Ton. Während der Aufnahme signalisiert ein blinkendes LED-Licht, dass gerade gefilmt wird, was Ängste vor Privatsphärenverlust mildern soll.

Die Kamera lässt sich nahezu überall befestigen.

(Bild: Google)

Anschließend müssen die Bilder noch ausgewählt werden – das könnte eine zeitraubende Angelegenheit sein. Allerdings verspricht der Algorithmus, wirklich nur das beste Material darzustellen. Das Betrachten erfolgt über eine Smartphone-App, die mit der Kamera gekoppelt wird, sie soll für iOS (iPhone, iPad) und Googles hauseigenes Android-Betriebssystem verfügbar sein. Google Clips wird zunächst nur in den USA für 250 Dollar angeboten.

Schon jetzt hat Google sehr viele Informationen über seine Nutzer – seien es E-Mails (Google Mail), Suchanfragen (Google Search), Kontakte (Google Contacts) oder Bürodokumente (Google Docs). Zudem übermitteln Android-Handys Positionsangaben und Fotos in die Cloud des Onlineriesen, sollte man die Funktionen nicht abschalten. All dies wird verwendet, um der Kundschaft zielgruppengerechte Reklame anzuzeigen.

Clips kommt mit integrierter Netzwerktechnik.

(Bild: Google)

Die Clips-Kamera soll, so verspricht der Konzern zumindest, hingegen deutlich privatsphärenfreundlicher arbeiten. Das beginnt damit, dass der Konzern die KI-Rechenarbeit auf dem Gerät selbst durchführt (siehe oben) – einen Ansatz, den sonst nur Konkurrenten wie Apple verfolgen, weil es ihnen vor allem um den Verkauf von Hardware und nicht von Werbung geht. Man habe "tiefe Gespräche" im Produktteam über das Thema Datenschutz geführt, heißt es von Google. Deshalb speichere die Kamera Fotos auch nur lokal. Allerdings, meinen Kritiker, könnte eine ständig laufende Bildaufzeichnung auch noch etwas anderes erreichen: Die Menschen könnten sich an die Dauerüberwachung schlicht gewöhnen.

(bsc)