Russland will demnächst neue Interkontinentalrakete testen

Bild: Sputnik/ Vladimir Fedorenko

Im nuklearen Wettrüsten will Russland mit der Sarmat-Rakete, die mit 15 manövrierbaren Sprengköpfen ausgerüstet werden kann, jede Raketenabwehr heute und in nächster Zukunft überwältigen können

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Während das Pentagon sich darauf vorbereiten soll, die seit dem Ende des Kalten Kriegs beendete Alarmbereitschaft von mit Atombomben bestückten B-52-Bombern wieder einzuführen, was im Pentagon allerdings bestritten wird, will Russland in nächster Zeit eine neue Interkontinentalrakete testen, die angeblich jedes Raketenabwehrsystem austricksen kann. Der Test soll noch in diesem Jahr im Plesetsk -Kosmodrom stattfinden, nachdem zuvor geplante Tests immer wieder verschoben werden mussten.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte im Dezember 2016 die Entwicklung von Atomraketen bekräftigt, "die alle bestehenden und künftigen Abwehrsysteme überwinden können". Zudem pries er den Einsatz von russischen Waffen in Syrien an, da dies die "militärische und technische Kooperation" mit anderen Ländern stärke. Die "Modernisierung" der Atomwaffen wurde 2010 beschlossen, bis 2020 soll sie abgeschlossen sein und fast 350 Milliarden US-Dollar kosten.

Die Rakete neuen Typs soll die Sarmat-Rakete (auch Satan 2 oder von der Nato SS-X-30 genannt) sein, ein erster Prototyp war bereits 2015 vom staatlichen Rüstungskonzern Makeyev produziert worden. In die Entwicklung ging man bereits 2010 angesichts des amerikanischen Raketenabwehrschirms, der an der Grenze zu Russland zunächst in der Tschechien und Polen, dann in Rumänien und Polen installiert wurde bzw. noch im Aufbau befindlich ist. Das Triebwerk mit Flüssigtreibstoff soll 2016 erfolgreich getestet worden sein. Die über 100 Tonnen schwere Interkontinentalrakete kann eine Last von bis zu 10 Tonnen befördern und damit bis zu 15 Sprengköpfe transportieren. Sie hat eine Reichweite von bis zu 18.000 km und soll die alte, 210 Tonnen schwere R-36M2-Rakete (Voyevoda, auch Satan genannt), die seit 1988 im Dienst ist und bis zu 10 Sprengköpfe transportieren kann, ablösen.

Angekündigt wurde, dass die neue Raketengeneration 2019-2020 einsatzbereit sei. Ohne Atomsprengkopf könnte Sarmat auch eine Präzisionsrakete als Antwort auf das amerikanische Global-Strike-Konzept sein, um jeden Ort auf dem Planeten schnell angreifen zu können.

Der stellvertretende russische Verteidigungsminister pries Sarmat bereits im Februar als die Superwaffe gegenüber den USA an: "Diese Waffen können die Raketenabwehr der USA von heute und von morgen und sogar für den Tag danach überwinden. Wir werden die Abwehr überwältigen. Seit heute ist sie nur noch eine Provokation für uns, da sie keine ernste militärische Bedrohung mehr darstellt."

Sollte die Interkontinentalraketen funktionsfähig sein und tatsächlich, wie Ria Novosti berichtete, bis zu 15 manövrierbare, mit Hyperschallgeschwindigkeit fliegende Sprengköpfe mit 750kt Sprengkraft transportieren bzw. bis zu 24 Hyperschallgeschwindigkeits-Gleitflug-Vehikel (z.B. Objekt 4202) pro Rakete oder eine Kombination aus Sprengköpfen, Gleitflug-Vehikeln und Täuschungstechniken wie zahlreiche Ballons mit Aluminiumschicht oder Sprengkopfattrappen, so kann das bestehende, bodengestützte amerikanische Raketenabwehrsystem NMD einen Angriff wohl nicht parieren.

Laut RIA Novosti sollen die Startgruben der neuen Raketen so gebaut werden, dass sie sieben, "mit hoher Genauigkeit ausgeführte" Angriffe mit Atomraketen standhalten würden. Zur Zerstörung eines Silos der US-amerikanischen Minuteman-III-Rakete sollen dagegen zwei Atombombenangriffe ausreichen.

Noch ist nicht einmal klar, ob das Abwehrssystem in der Lage ist, im Ernstfall auch nur eine Rakete, deren Abschuss und Flugbahn nicht zuvor bekannt ist, mit Sicherheit im suborbitalen Flug oder während der Wiedereintrittsphase in die Atomsphäre zu treffen. Angeblich sollen aber mehrere Sprengköpfe gleichzeitig ausgeschaltet werden können, die jeweils einzeln mit einem "kill vehicle" getroffen werden müssten. An einem Multiple Kill Vehicle-Raketenabwehrsystem wird gearbeitet. Russland hatte immer erklärt, dass auch die mobilen Topol-Raketen mit mehreren Sprengköpfen das bestehende Raketenabwehrsystem austricksen könne.

Doomsday Clock steht auf 2,5 Minuten vor Mitternacht

Welche Leistung Sarmat tatsächlich erbringen kann und wie weit die Entwicklung tatsächlich fortgeschritten, bleibt Spekulation und gehört zu den Abschreckungsszenarios des nuklearen Wettrüstens. Die Weltunterganguhr, die Doomsday Clock des Science and Security Board des Bulletin of the Atomic Scientists, die es seit 70 Jahren gibt, wurde bereits im Januar vorgestellt . Noch seien es 2,5 Minuten bis Mitternacht, 2016 und 2015 waren es noch 3 Minuten, selbst in den 1980er ist man danach dem Ausbruch eines Atomkriegs nicht näher gekommen, nur in den 1950er Jahren war danach die Gefahr größer und die Uhr auf 2 Minuten vor Mitternacht gestanden. Nach dem Ende des Kalten Kriegs hatten die Atomkriegs-Uhrwächter den Zeiger auf 17 Minuten vor Mitternacht gestellt.

Danach ist ein Atomkrieg selbst in Entspannungszeiten nie wirklich fern, so lange es Atomwaffen gibt. Allerdings werden mittlerweile auch andere Bedrohungen wie die Klimaerwärmung oder die Entwicklung autonomer Waffensysteme einbezogen. Die Uhr hat zudem das Problem wie der Terrorwarnungscode, der unter Bush eingeführt wurde und trotz Abwesenheit von Anschlägen immer vor einer bevorstehenden Gefahr warnte. Das macht die Vorhersage unglaubwürdig, wenn die Bedrohung nicht eintritt, unter Barack Obama wurde die Terrorwarnung daher ausgemustert.

Seit 2 Jahren warnen die Atomwissenschaftler, dass die Gefahr einer globalen Katastrophe sehr hoch sei und dringend gehandelt werden müsse: "Für 2017 ist für uns die Gefahr noch größer geworden und die Notwendigkeit zu handeln noch dringender. Es ist 2,5 Minuten vor Mitternacht, die Uhr tickt, die globale Gefahr lauert. Kluge Politiker sollten sofort handeln und die Menschheit von dem Untergang wegführen. Wenn sie es nicht tun, müssen kluge Bürger vortreten und den Weg weisen."

Den Vertrag zur Abschaffung der Atomwaffen, der von den Vereinten Nationen am 20. September zur Unterzeichnung freigegeben wurde, haben bislang gerade einmal 53 Staaten unterschrieben und nur 3 ratifiziert: Guyana, Thailand und der Vatikan. Damit ist der Vertrag noch weit davon entfernt, in Kraft zu treten, Atomwaffenstaaten, aber auch alle Nato-Staaten wie Deutschland haben die Verhandlungen sowieso boykottiert. Das sieht nicht gut aus für Abrüstungsbestrebungen, auch wenn ICAN gerade den Friedensnobelpreis für den Einsatz für das Verbot erhalten hat.

Aber wenn schon Barack Obama den Friedensnobelpreis erhalten hat, der dann prompt die Modernisierung der amerikanischen Atomwaffen eingeleitet hat, ist das ein schlechtes Vorzeichen. Und die Nato hat schon einmal klar gemacht, dass sie das nicht interessiert. So lange es Atomwaffen gibt, wird die Nato ein nukleares Bündnis sein, von Abrüstungsintentionen wurde in der Stellungnahme zum Abkommen nicht gesprochen.

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