SPD-Chef Schulz fordert Neuwahlen, falls "Jamaika" scheitert

Martin Schulz im Wahlkampf, 20. September 2017. Bild: Ziko van Dijk / CC BY-SA 4.0

Seine Partei werde nicht in eine große Koalition eintreten. Bei der Neuausrichtung zielt er auf die Mitte und Selbstständige. Nachbesserungen der Agenda 2010 ist kein Thema mehr

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Die SPD ist für Neuwahlen, falls die Verhandlungen über eine schwarz-grün-gelbe Koalition scheitern, die Partei werde nicht in eine große Koalition eintreten, stellte Parteichef Martin Schulz an diesem Wochenende klar.

Wenn die schwarze Ampel scheitert, wird es Neuwahlen geben müssen. Die Verantwortung dafür müssten dann Frau Merkel, Herr Seehofer, Herr Lindner und Herr Özdemir tragen.

Martin Schulz

Die Entscheidung, in die Opposition zu gehen, sei im vollen Bewusstsein der Konsequenzen getroffen, so Schulz zum Auftakt von "regionalen Dialogveranstaltungen", bei denen die Parteimitglieder über die künftige Ausrichtung der Partei diskutieren.

Schulz kündigt eine grundlegende Reform an. Die Partei müsse sich "programmatisch und organisatorisch neu aufstellen", wird der SPD-Chef aus einem Interview zitiert. Für den Parteitag Anfang Dezember verspricht er nichts weniger als eine "Aufarbeitung der letzten anderthalb Jahrzehnte". Die Niederlage bei der Bundestagswahl sei "kein Betriebsunfall" gewesen.

Fehlentwicklungen der Agenda 2010 "korrigiert"

Man merkt aber auch, dass der Sieg bei der Landtagswahl in Niedersachsen manche Wunden gelindert hat. Manche harte Auseinandersetzung lässt sich mit dem jüngsten Erfolgserlebnis auf Distanz halten. So fällt die bemerkenswerte Äußerung, dass die "Fehlentwicklungen der Agenda-Reformpolitik des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder korrigiert" seien. Das klang Anfang dieses Jahres noch ganz anders, als Schulz Korrekturen bei Hartz-IV versprach und einige Prinzipien der Agenda 2010 rückgängig machen wollte.

Die Gewichtungen haben sich verändert, Erklärungen, warum die Agenda 2010 dann doch nicht verbessert werden muss, werden nicht abgegeben, außer beim Parteitag würden sie eingefordert. Es gilt nun der Blick nach vorne. Schulz schaut auf den Erfolg bei den nächsten Wahlen, die Neuorientierung ist auf Schlagwort Sicherheit ausgerichtet:

Wir müssen uns der Sicherheitsfrage zuwenden: innere Sicherheit, äußere Sicherheit, soziale Sicherheit. (…) Es geht um Sicherheit am Arbeitsplatz, im Gesundheitssystem, bei der Bildung, der Pflege, um Sicherheit im Alter.

Martin Schulz

Punkten will die SPD nun mit Konzepten zur "neuen, digitalisierten Welt der Arbeit" , die mit Verteilungsgerechtigkeit und Ideen zur Partizipation überzeugen sollen. Zwar wird traditionell gefordert, dass es zwingend tarifgebundene Arbeitsverhältnisse brauche. Aber in den Blick rückt Schulz Bereiche, "die nicht mehr in die klassische Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Struktur hineinpassen": "So wichtig das sogenannte Normalarbeitsverhältnis ist - die SPD muss auch zur Partei der Selbstständigen werden."

Linker werden?

Wer hier einen Kurs ahnt, der wie schon unter Schröder wirtschaftsfreundlich ausgerichtet ist und an der linken Flanke der CDU andockt, liegt vermutlich nicht falsch. Es gab Stimmen in den letzten Tagen, die auf eine andere Ausrichtung setzten, wie zum Beispiel die abtretende Juso-Chefin Johanna Uekermann, die forderte, dass die "SPD linker werden" müsse und außerdem: "müssen wir endlich die Agenda-Politik aufarbeiten, unsere Fehler dabei klar benennen - und sie korrigieren."

Auch Schulz schlug zunächst diese Töne an -"Wir müssen wieder Mut zur Kapitalismuskritik fassen", sagte er der Zeit -, aber dann gab es die Einlassung vom SPD-Vize Scholz, der Pragmatismus forderte.

Die SPD muss für mutige Reformen stehen, die vernünftig sind und an deren Umsetzung man glauben kann. Sie wird aber zwangsläufig an Zustimmung verlieren, wenn sie sich auf den Wettbewerb der schrillsten Töne einlässt.

Olav Scholz

Zunächst hieß es, es könnte zu Reibungen zwischen Schulz und Scholz kommen. Dann allerdings kam die Entwarnung: "Schulz lobt Scholz", wie die Tagesschau heute berichtet. Demnach sagte Schulz, dass es entgegen der landläufigen Auffassung zwischen Olaf Scholz und ihm "inhaltlich eigentlich mehr Übereinstimmungen als Differenzen" gebe.

Beide hätten in einem Gespräch am Morgen festgestellt, es gebe sogar noch mehr Übereinstimmungen, als sie selbst gedacht hätten. Mal sehen, was die Partei-Mitglieder im Dezember zu dieser wiedergefundenen Konsens-Wonne sagen.