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(Bild: Der festgenommene Lee Harvey Oswald wird abgeführt. Bild: Wikipedia (Gerald Hill) / gemeinfrei)

Rheinische Post klärt Kennedy-Attentat

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Die Berichterstattung in den deutschen Medien über die aktuellen Teilfreigaben der Kennedy-Akten ist spannend. Soweit ersichtlich, werden dem deutschen Publikum nach wie vor nicht ganz unwichtige Hintergrundinformationen wie Kennedys Kleinkrieg mit dem Pentagon (Der General, der Präsident - und die Bombe) und die Mentalität des CIA-Direktors Allen Dulles (Die magische Kugel des Allen Dulles) lieber nicht zugemutet.

Einige Medien trauten sich immerhin, vage Hinweise auf den CIA-Mann fürs Grobe, William King Harvey, zu geben (William King Harvey und die Lizenz zum Töten). Dessen Strategie zur Tarnung von CIA-Morden an Spitzenpolitikern bestand darin, den Verdacht auf angeblich kommunistische Täter zu lenken. Damit schlug man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.

Neues vom Zapruder-Film

Doch auch die Interpretation bekannter Informationen fällt unterschiedlich aus. So streitet man sich seit Jahrzehnten, ob die auf dem Zapruder-Film zu sehende Kopfverletzung auf einen Schuss von vorne oder von hinten schließen lässt (Kennedy-Attentatsforscher Robert Groden gewinnt Rechtsstreit gegen 6th Floor Museum). Während die Fallrichtung des Kopfes und die austretende Hirnmasse eher nach einem frontalen Einschuss aussehen, ist in einem fahrenden Auto tatsächlich nicht ausgeschlossen, dass ein Schuss von hinten die Ursache der Bewegung sein könnte. Der vom energiereichen Geschoss induzierte Druck könnte durchaus auch in eine andere Richtung als die Schußrichtung wirken.

Bislang unbekannte Informationen konnte nun die Rheinische Post aus dem Filmmaterial gewinnen:

"In Zapruders Film ist zu sehen, wie Kennedy von Kugeln getroffen wird, abgefeuert von Lee Harvey Oswald, der sich im sechsten Stock des Schulbuchlagers von Dallas verschanzt hatte."

Jahrzehntelang galt es als unstreitig, dass man auf dem Film weder Gewehrkugeln noch deren exakte Flugrichtung sehen kann. Unklar ist, wo die Rheinische Post auf dem Film Oswald und den sechsten Stock des Schulbuchlagers erspäht hat. Letzterer wurde im Frühstücksraum im 2. Stock angetroffen und wies einem (umstrittenen) Parrafintest zufolge keine Schmauchspuren auf (Das Volk ./. Lee Harvey Oswald).

Die Rheinische Post macht aus dem mit Radar befassten Marine sogar einen Scharfschützen. Dessen Meisterschuss, ausgeführt nach zweimaligem Nachladen in Rekordzeit mit einem schlechten Gewehr auf ein bewegliches Ziel, vermochte bislang niemand nachzustellen. Bei unverurteilten Personen werden von Journalisten normalerweise vorsichtigere Formulierungen erwartet.

Wo Rauch ist ...

Nicht gefolgt werden kann jedenfalls der Interpretation der Rheinischen Post, "Augenzeugen" hätten damals den Eindruck gehabt, als sei zumindest die letzte, die tödliche Kugel nicht von hinten gekommen. Da Schüsse nicht als solche gesehen werden können, waren es wohl weniger Augen- als vielmehr Ohrenzeugen, die etwa aussagten, sie hätten auf der Dealey Plaza vom Grashügel stammende Schüsse gehört. Manche wollen sogar Pulverdampf gesehen haben, etwa die Zeugen S.M. Holland und Lee Bowers. Letzterer berichtete von einem Lichblitz und verstarb wie mindestens 22 andere spannende Personen mit Bezug zum Kennedy-Attentat unter mysteriösen Umständen.

Wie bereits einen Tag vor der Aktenfreigabe vermutet, halten die deutschen Medien ihr bewährtes Narrativ durch (JFK - blown away). Offenbar keine Aufmerksamkeit in der hiesigen Presse fand eine nun freigegebene CIA-Korrespondenz, derzufolge die CIA in den Medien 40 verdeckte Agenten platziert hatte. Wie diese zur Diskreditierung von Skeptikern zum Kennedy-Attentat angeleitet wurden, kann man im einem längst freigegebenen CIA-Dokument 1035-960 von 1967 nachlesen (50 Jahre "Verschwörungstheoretiker").

Die Rheinische Post wird allerdings nicht von der CIA durch Agenten unterwandert sein, denn hierzulande arbeitet man eher mit konventioneller Kontaktpflege (Jan Fleischhauer, die Atlantik-Brücke und die CIA). Man darf gespannt sein, wann deutsche Journalisten die Person des extrem spannenden CIA-Mannes James Jesus Angleton entdecken, dessen Aussage zum derzeit noch gesperrten Material gehört.

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