Syrien nach dem IS: Die syrischen Kurden in der Klemme?

YPG in Rakka. Bild: YPG Press Office

Rakka, Ölfelder und Grenzgebiete im Süden: Damaskus sieht sie "als besetzte Gebiete", deren Kontrolle man zurückverlangt. Die USA und ihre Verbündeten sehen sie als Verhandlungsmasse

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Von der syrischen Regierung kommen die erwarteten Signale zu Rakka und den von den Syrisch-Demokratischen Kräften (SDF) kontrollierten Ölfeldern in Syrien. Wie Reuters meldet, habe die Regierung in Damaskus erklärt, dass sie Rakka solange als "besetzte Zone" betrachte, bis die syrische Armee die Kontrolle darüber habe.

Damit macht die syrische Regierung ihren Anspruch klar, dass es sich bei Rakka um ihr Hoheitsgebiet handelt. Nach allen Grundsätzen des internationalen Rechtes dürfte es an diesem Anspruch keinen Zweifel geben, denn Rakka gehört zum Territorium des syrischen Staates, worüber die syrische Regierung Souveränität hat. Demgegenüber gibt es allerdings andere Signale aus den Reihen der "Freunde Syriens", die von außen der Opposition eine größere Rolle zuweisen wollen.

Dies hatte der französische Außenminister Le Drian kürzlich in einem Interview verdeutlicht, in dem er anzeigte, dass man Rakka nicht in die Hände Baschar al-Assads zurückgeben werde:

Ganz sicher nicht, weil Rakka von Streitkräften der Opposition zurückerobert wurde. Es ist nun die Zeit gekommen, ein angemessenes Vorgehen und Forum zu finden, um über die politische Zukunft Syriens zu reden und um zu vermeiden, dass sich das Land balkanisiert. Frankreich wird für seinen Teil ein Akteur sein, der Rakka stabilisiert, um die Minenräumung durch NGOs zu finanzieren wie auch den Zugang zu Wasser und anderen Dingen zur Versorgung der Bevölkerung.

Jean- Yves Le Drian

Nach Informationen von Reuters, erhalten von einer anonymen Quelle aus der syrischen Regierung und einem "nicht-syrischen" Kommandeur "einer Allianz, die aufseiten Baschar al Assads kämpft (vermutlich schiitische Milizen)", will die Regierung in Damaskus die Kontrolle über Rakka sowie auch über Ölquellen von den SDF zurück: "Wir werden es nicht erlauben, dass Ressourcen des Landes im Osten von jemand anders kontrolliert werden und Kantone geschaffen werden oder Selbstregierung erwogen wird."

Absprachen mit arabischen Stämmen

Auch der Vertreter der syrischen Administration äußerte sich der Nachrichtenagentur gegenüber in diesem Sinne: "Wir werden es nicht erlauben." Die SDF hat im Oktober das al-Omar-Ölfeld in der Provinz Deir ez-Zor aus der Kontrolle des IS erobert. Aus dem Spiegel-Artikel dazu geht ein Phänomen hervor, das Russlands Vertreter zuletzt mit Misstrauen und Kritik kommentierten - die Übernahme des Ölfelds geschah anscheinend ohne Widerstand des IS.

Die IS-Kämpfer haben sich bereits drei Tage vor der Einnahme des Ölfeldes, das eines der größten im Land ist, zurückgezogen. Einen Grund für den Rückzug nannte die in Großbritannien ansässige Beobachtungsstelle nicht.

Spiegel Online

Die Vermutung, die auch Russlands Außenminister Lawrow, allerdings für eine andere Zone, andeutete, ist, dass es zu Absprachen zwischen den SDF und IS-Milizen kam.

Informationen des Journalisten Elijah J. Magnier, der sich seit vielen Jahren mit den Krisengebieten im Irak und Syrien beschäftigt und nachweislich seiner Artikel über gute Kontakte zu Beteiligten auch auf höheren Ebenen verfügt, bestätigen Absprachen im Hintergrund.

Sie sollen laut Magniers Recherchen von lokalen arabischen Stämmen vermittelt werden. Der Journalist bezeichnet sie als "syrische Sahawa" in Analogie zu den arabischen Stämmen, die sich im letzten Jahrzehnt mit den USA im Kampf gegen al-Qaida im Irak verbündet hatten und mit dem Begriff "Sahwa" - Erweckung - in Zusammenhang gebracht wurden. Die Stämme in der irakischen Provinz Anbar hätten Verbindungen und in Einfluss auch in Syrien.

Die USA hätten wiederum großes Geschick darin, mit diesen Stämmen zu verhandeln, die ihrerseits gute Verbindungen zum IS haben. Magnier deutet aber auch an, dass es möglicherweise auch zu direkten Verhandlungen bzw. Abmachungen zwischen den USA und IS-Vertretern gekommen sein kann. Der Vorteil liegt in der Schnelligkeit, mit der durch solche Absprachen ein Gebiet unter Kontrolle gebracht werden kann. Da der IS auf der Verliererstecke sei, seien auch die Absprachen möglich.

Ob man sich nun der Darstellung Magniers anschließen will oder nicht, es gibt eine Art Wettlauf um strategisch wichtige Orte oder Zonen - zu nennen wären Rakka, Deir-ez-Zor und Abu Kamal (oder auch al-Bukamal) an der irakischen Grenze. Damit zusammenhängt auch die Energieversorgung Syriens.