Der Internationale Strafgerichtshof entscheidet über Untersuchung in Afghanistan

Chefanklägerin Fatou Bensouda fordert die Einleitung einer Untersuchung über die Situation in Afghanistan. Screenshot vom ICC-Video

Die Chefanklägerin will auch gegen Amerikaner wegen Foltervorwürfen ermitteln

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Am Internationalen Strafgerichtshof (ICC) wird womöglich eine Untersuchung über Kriegsverbrechen in Afghanistan eröffnet. Nach der Mitteilung der ICC-Präsidentschaft soll nun eine Vorverfahrenskammer die Entscheidung treffen, ob eine Untersuchung eröffnet werden soll. Fatou Bensouda, seit 2015 Chefanklägerin des ICC aus Gambia, hat den Antrag gestellt. Sie sei zur Überzeugung gekommen, schreibt sie, dass in Afghanistan Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Rahmen des bewaffneten Konflikts begangen worden sind.

Man könne aber nur Vorfälle untersuchen, die seit 2003 stattgefunden haben, da erst dann das Rom-Abkommen für Afghanistan in Kraft getreten ist, das es im Februar 2003 ratifiziert hat. Aufhorchen lässt, dass Bensouda Kriegsverbrechen von allen Parteien "unabhängig und objektiv" untersuchen will, also nicht nur von den Taliban und dem IS, sondern dann wohl auch von den Nato-Staaten, die mit Militär was auch immer am Hindukusch verteidigt haben. Explizit genannt werden die USA.

Untersucht werden sollen, wenn es zu einer Ermittlung kommen sollte, die" schwersten Verbrechen, die in Verbindung mit der Situation begangen" worden sind. Man werde alles dafür tun, um sicherzustellen, dass bei der Ausübung des Mandats sensibel mit dem Leiden der Opfer in Afghanistan umgegangen wird. Man werde aber weiterhin alle nationalen Verfahren berücksichtigen und einbeziehen. Bensouda hofft auf die Kooperation der afghanischen Regierung, der anderen Staaten und der internationalen Gemeinschaft, um die Verantwortlichen für Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen und den Opfern Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Der ICC steht schon lange unter dem Druck, Ermittlungen in Afghanistan aufzunehmen, was nun erst nach massiver Kritik vor allem afrikanischer Länder an der Einseitigkeit und einem ersten Austritt einem Beschluss näher gerückt ist.

Chefanklägerin wirft US-Soldaten und CIA-Mitarbeitern Folter vor

2007 waren bereits vorläufige Ermittlungen eingeleitet worden. Es gab zahlreiche Berichte über das Ergebnis der einleitenden Ermittlungen. Den letzten Bericht hatte Fatou Bensouda im November 2016 vorgelegt (Kommentar: Schein der Gerechtigkeit). Dort heißt es zu Afghanistan, man habe nach den Ermittlungen eine vernünftige Grundlage zu glauben, dass folgende Verbrechen in Afghanistan im Rahmen des Konflikts begangen wurden:

  1. Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen seitens der Taliban und dem verbunenen Haqqani-Netzwerk;
  2. Kriegsverbrechen der Folter und damit verbundener Misshandlungen durch afghanische Sicherheitskräfte, vor allem durch den Geheimdienst und die Afghanische Nationalpolizei;
  3. Kriegsverbrechen der Folter und damit verbundener Misshandlungen durch in Afghanistan eingesetzte US-Soldaten und in Geheimgefängnissen, die von der CIA betrieben wurden, primär im Zeitraum 2003-2004, was in einigen Fällen aber angeblich bis 2014 geschehen ist.

In Bezug auf die Geheimgefängnisse könnten auch Ermittlungen in Polen, Litauen und Rumänien eingeleitet worden. Auch hier betrieb die CIA Geheimgefängnisse, in denen auch angebliche al-Qaida-Mitglieder festgehalten, verhört und womöglich gefoltert wurden, die aus Afghanistan verschleppt wurden. Es seien zwar auch zahlreiche Zivilisten Opfer von Kampfhandlungen der internationalen Truppen geworden, aber es gebe hier keine Beweise, dass diese absichtlich angegriffen worden seien. Der afghanischen Regierung wird vorgeworfen, nur äußerst selten eine Strafverfolgung von mutmaßlichen Tätern eingeleitet zu haben. Überdies hat das afghanische Parlament ein 2009 in Kraft getretenes Gesetz verabschiedet, der allen an Kämpfen teilnehmenden Parteien Amnestie gewährt. Auch den USA wird vorgeworfen, zwar einige Ermittlungen über Folter und Misshandlungen von Gefangenen in Afghanistan durchgeführt, aber trotz der Schwere der Vorwürfe ohne Anklageerhebung eingestellt zu haben.