Monsantos anderes Herbizid

Bild: Bernd Schröder

Die US-Umweltschutzbehörde EPA hat die Verwendung des Herbizids Dicamba eingeschränkt, doch Fachleute bezweifeln die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen

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Mitte Oktober 2017 kam die US-Umweltbehörde EPA zu einer Übereinkunft mit Monsanto, BASF und DuPont, wie in der kommenden Saison 2018 Schäden begrenzt werden können, die auf eines ihrer Produkte zurückzuführen sind.

Die Unternehmen sind die Hersteller einer im November 2016 als Nachlaufherbizid zugelassenen Formulierung, die im Zusammenspiel mit genetisch modifiziertem Monsanto-Saatgut wirkt. Im Verlaufe des Jahres 2017 wurde eine massive Zunahme an Schadensmeldungen registriert, die mit unbeabsichtigten Effekten neuer Formulierungen des Herbizids Dicamba in Zusammenhang gebracht werden. Tausende Quadratkilometer mit nicht toleranten Nutzpflanzen bestandener Anbaufläche sind betroffen.

Bei Monsanto hatte man mit den neuen Saatgutlinien versucht, über Gentechnik im Verbund mit Alt-Herbiziden den um sich greifenden Resistenzen Herr zu werden und zu neuen Lösungen im Pflanzenschutz zu kommen, unter anderem durch eine Kooperation mit der BASF als wichtigstem Dicamba-Hersteller. Das Ziel: ein "Dicamba-basiertes Unkrautkontrollsystem der nächsten Generation".

Dicamba oder 3,6-Dichlor-2-methoxybenzoesäure. Monsantos Formulierung (XtendiMax) senkt die Flüchtigkeit von Dicamba durch Salzbildung mit Diglycolamin. Die VaporGrip-Technologie soll sie um weitere 90% reduzieren. Doch Monsanto veröffentlicht keine Zahlen über die absoluten Mengen an Dicamba, die dennoch in die Gasphase gelangen. DuPont hat mit FeXapan ein ähnliches Produkt im Angebot. Die BASF-Lösung Engenia arbeitet mit BAPMA (N,N-bis-(3-aminopropyl)methylamin). Bild: Bernd Schröder

Die herbiziden Eigenschaften von Dicamba sind bereits seit 1942 bekannt: zweikeimblättrige Pflanzen werden aufgrund der Ähnlichkeit des Herbizids mit Wachstumshormonen zu beschleunigtem Wuchs angeregt. Sie sterben dann wegen der nicht mehr Schritt haltenden Versorgung mit Nährstoffen ab. Dicamba ist leicht flüchtig und breitet sich schnell mit dem Wind aus. Schäden durch ein Verdriften sollen durch Zusatzstoffe vermieden werden, die die Flüchtigkeit von Dicamba senken.

Sommer 2017: Dicamba erneut in den Schlagzeilen

Dicamba hatte im Sommer 2016 in den USA bereits für massiven Ärger gesorgt (Roundup-Ready).

2017 waren die neuen genetisch modifizierten Sojasaaten im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten und darüber hinaus populär, eine Fläche größer als die Bayerns war damit bestellt worden. Für viele Farmer ein Glücksfall: Endlich hatten sie ein Gentech-Update gegen die zunehmende Glyphosat-Resistenz vieler Unkräuter zur Hand.

Andere Landwirte waren weniger davon angetan. Zum Beispiel all jene, die auf andere Sojasorten setzten als auf die neuen von Monsanto und deren Pflanzen keine Dicamba-Formulierungen tolerieren können. Nachdem die Nachbarn ihre Felder mit Dicamba behandelt hatten, zeigten sich auf den angrenzenden Feldern bald die unverkennbaren Anzeichen einer Schädigung: runzelige Blätter, verkümmerte Pflanzen.

Die Landwirtschaftsbehörden der betroffenen Bundesstaaten untersuchen tausende Schadensmeldungen - vor allem in Arkansas, Illinois, Missouri, Ohio und Tennessee. Die Herbizidhersteller streiten nun mit Agrarwissenschaftlern von Universitäten, was die Ursachen der großflächig aufgetretenen Schäden sind.

Die Wissenschaftler hatten Hunderte von Feldern inspiziert und wurden vom Ausmaß der Schäden überrascht. Ihr Befund: Die neuen Formulierungen sind immer noch ausreichend flüchtig, um zumindest einen Teil der Schäden verursacht zu haben - selbst wenn die Bauern die Verwendungsvorschriften auf den Behältern genau befolgten. Die Herbizidhersteller sehen das anders: Gewächshaustests und Freilandversuche hätten gezeigt, dass die Flüchtigkeit der Formulierung keine ungewollte Verbreitung von Dicamba nach sich zöge. Nach ihrer Lesart haben die Bauern die Vorschriften schlichtweg nicht eingehalten. Je nach Bundesstaat kann das eine Strafe von 25.000 US-Dollar nach sich ziehen.

Dabei ist es schwierig, eine direkte Verbindung zwischen einer bestimmten Dicamba-Anwendung und auftretenden Schäden herzustellen - bevor sich Symptome zeigen, können durchaus 14 Tage vergehen. Örtliche Eintragsquellen von Dicamba sind nur schwer auszumachen. Schäden an empfindlichen Pflanzen können einige Kilometer vom eigentlichen Ort der Anwendung entfernt auftreten.

Einige Bundesstaaten hatten schon im Sommer reagiert und zusätzliche Restriktionen mit der Anwendung verknüpft. Sollten die Formulierungen tatsächlich Ernteschäden aufgrund von Verflüchtigungen hervorrufen, wären das schlechte Nachrichten für alle Beteiligten. Die Hersteller wären für die Schäden haftbar. Soja-Bauern, die nicht auf das neue Saatgut setzen, sind den herüber wabernden Schwaden ihrer Nachbarn schutzlos ausgesetzt - oder sie steigen auch auf das neue Saatgut um.

Betroffene Bauern bleiben oft auf den Schäden sitzen. In Illinois beispielsweise hat die Versicherung sämtliche Schadensansprüche im Zusammenhang mit Dicamba abgelehnt, die nicht auf unmittelbare Drift zurückzuführen sind. Schäden, die aufgrund der unvorhergesehenen Flüchtigkeit der neuen Formulierungen zustande kamen, werden nicht berücksichtigt - dazu reicht die Auskunft des Anwenders, alle Instruktionen zur Handhabung befolgt zu haben.

Monsanto untersucht die Schadensfälle ebenfalls. Die Liste der vorgebrachten möglichen Verfehlungen auf Anwenderseite ist lang: die Nutzung alter, nunmehr illegaler Formulierungen, die Verwendung kontaminierter Mischbehälter, falsche Sprühdüsen, ungeeignete Positionierung der Sprühtechnik, falscher Druck, Nichtbeachtung von Pufferzonen oder der Wetterbedingungen.