Buddhisten, die weder Erbarmen noch Liebe für die Menschen kennen

Rohingya-Flüchtlinge. Bild: Seyyed Mahmoud Hosseini/Tasnim News Agency/CC BY-4.0

Terror in Myanmar und Bhutan

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Es gibt einen rätselhaften Zusammenhang zwischen christlicher Nächstenliebe und realer Lust am Massenmord. Man kennt das aus der Geschichte. Viele Massenmorde geschahen im Namen der Nächstenliebe. Irgendwie scheint das Morden leichter zu fallen, wenn man es aus reiner Nächstenliebe und im göttlichen Auftrag begeht. Und niemand war und ist so erbarmungslos wie die religiösen Eiferer.

Man hat sich einigermaßen damit abgefunden, dass vor allem die drei monotheistischen Religionen aus dem Nahen Osten den Gedanken der ebenso frommen wie scheinheiligen Gewalttätigkeit praktizierten. Doch dass auch der ach so friedfertige Buddhismus eine hässliche Fratze hat und eine ausgeprägte Friedfertigkeit unentwirrbar mit brutaler Gewalttätigkeit verschmilzt, mögen viele nicht wahrhaben. Das kann man aber auf erschütternde Weise gegenwärtig in Myanmar zu sehen, wo buddhistische Mönche massenhaft muslimische Rohingya massakrieren und zugleich beim Bau von Klöstern besonders achtsam die Erde umgraben, damit sie bloß keinem Regenwurm etwas zuleide tun. Täter und geistige Anstifter zugleich sind Mönche.

Die buddhistische Argumentation für Friedfertigkeit und universelle Liebe zerplatzt angesichts der verbalen und brachialen Argumentation der myanmarischen Buddhisten; denn die Moral im Buddhismus lautet ja nicht, Liebe und Friedfertigkeit seien ein Gebot der Religion. Es lautet, man tue sich selbst keinen Gefallen, wenn man nicht friedfertig sei. Die Mehrheit der Buddhisten in Myanmar steht in krassem Widerspruch zu ihren eigenen buddhistischen Überzeugungen. Das ist schwer erträglich. Aber es gibt einen buddhistischen Faschismus. Und er ist in Myanmar zu Hause.

Heute gehen alle Beobachter davon aus, dass vor allem die burmesische Militärjunta für die Verbrechen verantwortlich ist. Das trifft auch ohne jeden Zweifel zu. Die machen die Drecksarbeit. Aber der Terror gegen die muslimischen Rohingya in Myanmar nahm seinen Ursprung in einem ausgesprochen fremdenfeindlichen und verbohrten Rassismus der buddhistischen Mönche.

Bis heute lebten in Myanmar, vorwiegend in der nordwestlichen Provinz Rakhaing oder auch in Rakhine, an der Grenze zu Bangladesch, ungefähr eine Million Moslems, die Rohingya. Die Mehrheit ist inzwischen nach Bangladesch geflohen. Genaue Zahlen sind derzeit nicht verfügbar, aber das menschliche Elend ist unermesslich.

In den Reihen der Mönche setzten sich die rigoros islamfeindlichen Strömungen durch. Ja, an die Spitze der Buddhisten in Myanmar gelangte das Sprachrohr aller Fremden- und Islamfeinde im Lande, der Mönch Ashin Wirathu. Er wurde wegen seiner "Verdienste" um die Anheizung der antimuslimischen Hetze an die Spitze der Buddhisten in Myanmar gehievt.

Er gilt als der Sprecher und der führende Buddhist Myanmars. Bis vor einigen Jahren war er auch in Myanmar recht unbekannt. Dann brachen die Zusammenstöße zwischen der buddhistischen Mehrheit und der muslimischen Minderheit aus und brachten erst die rassistische Hetze gegen die Minderheit zum Kochen und dann den Hetzer Wirathu an die Spitze der Buddhisten. Unter den Buddhisten in Myanmar gibt es heute kaum noch Leute, die sich gegen den Hetzer und seine primitive Hetze stellen. Die Mehrheit der Buddhisten gefällt sich in der Rolle der Speerspitze der Faschisten.

Rassistische Hetze

Heute ist die antiislamische Stimmung in Myanmar allgegenwärtig und umfasst nahezu alle Schichten des Volks. Die Buddhisten liefern die moralisch-ideologische "Rechtfertigung", übrigens mit den übelsten rhetorischen Verrenkungen im Stile der deutschen Nationalsozialisten, das Militär vollzieht gewissermaßen im Geiste der Buddhisten die Vertreibung der Rohingya aus dem Land, und die Politik in Gestalt von Aung San Suu Kyi schaut tatenlos zu, wie Hundertausende aus dem Land vertrieben werden. So reichen Mönche, Militär und Politik einander die Hände, um die Moslems aus Myanmar zu vertreiben oder gar auszurotten.

Wer bislang stets dem Irrglauben anhing, der Buddhismus sei die einzige Religion, die zu verbaler und brachialer Gewalt aus sich heraus nicht fähig sei, wird durch die Gewalt in Myanmar - und nicht nur dort - eindrucksvoll widerlegt.

Ashin Wirathu ist Vorsitzender der in Myanmar weit verbreiteten Bewegung 969 und hält Reden gegen den Islam, die sich durchaus mit den wahnwitzigen Reden von Julius Streicher auf ein und dasselbe Niveau stellen lassen, zumal die Verschwörungsfantasien ganz ähnlich sind.

Wirathu, der auch schon mal als "Burma Hitler" bezeichnet wird, ist allen Ernstes davon überzeugt, dass die arabische Welt die "globalen Medien" kontrolliert - eine geradezu krankhafte Fantasie. Und von Myanmar - einem Land, in dem der Buddhismus nun wirklich fester als in jedem anderen Land verankert ist - behaupten er und seine Bewegung, es stünde in der Gefahr, vom Islam überrollt zu werden.

Wie absurd diese Fantasien sind, zeigen die nackten Zahlen. Von 51 Millionen Einwohnern Burmas, die auf einer Fläche leben, die fast doppelt so groß wie Deutschland ist, sind weniger als zwei Millionen Moslems. Und die wohnen oder wohnten ausschließlich in der nordwestlichen Provinz Rakhine an der Grenze zu Bangladesch. Fast eine Million sind bereits vertrieben worden.

Ziel der radikalen rassistischen Bewegung 969 ist es, Burma zur moslemfreien Zone zu machen. Und das ist nicht ein abstraktes Ziel. Die Vertreibung der Rohingya ist seit Monaten in vollem Gange. Und sie ist es in einer Weise, deren Unmenschlichkeit und grausame Brutalität unvergleichlich ist und über Leichen geht. Es ist eine nationalistische Bewegung gegen die islamische Expansion im buddhistischen Burma - eine Expansion, die objektiv gar nicht stattfindet. Auf Kundgebungen fordert Wirathu seit vielen Monaten dazu auf, die Muslime aus dem Land zu vertreiben - ohne Erbarmen und ohne auch nur Spuren von Menschlichkeit.

Die Ziffern von 969 symbolisieren die Tugenden des Buddha, buddhistische Praktiken und der buddhistischen Gemeinschaft. Es ist offenbar eine Taktik der übelsten Gewalttäter, sich als höchste Tugendwächter zu gerieren. Die erste 9 steht für die neun besonderen Attribute des Buddha, die 6 für die sechs besonderen Attribute der buddhistischen Lehre, des Dharma, und die letzte 9 für die neun besonderen Attribute des buddhistischen Ordens, des Sangha. Diese Eigenschaften stellen die drei Juwelen des Buddha dar. Die geradezu verschlagene Scheinheiligkeit der buddhistischen Faschisten manifestiert sich in der Inanspruchnahme dieser drei Juwelen; denn das schließt nach der buddhistischen Lehre auch die fünf Silas ein: (1) Kein Lebewesen zu töten oder zu verletzen, (2) Nichtgegebenes nicht zu nehmen, (3) keine unheilsamen sexuellen Beziehungen zu pflegen und sich im rechten Umgang mit den Sinnen zu üben, (4) nicht zu lügen oder unheilsam zu reden und (5) das Bewusstsein nicht durch berauschende Mittel zu trüben.

Mit Buddhas Lehren von Offenheit und Toleranz hat das alles nichts zu tun. Im Vergleich mit anderen Weltreligionen galt der Buddhismus bislang als Glaube, der für extremistische Positionen weniger anfällig ist. Das ist vorerst einmal widerlegt.

Wirathu wurde 2003 noch zusammen mit vier Anhängern wegen Anstiftung zur Gewalt gegen Muslime zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. 2011 kam er im Zuge einer Amnestie wieder frei. Seitdem nutzt er die sozialen Medien für obszönste Agitation. Jeden Tag liest man auf seiner Facebook-Seite von neuen angeblichen Gräueltaten: Morden, Anschlägen und vor allem Vergewaltigungen, die die Muslime, so hämmert es Wirathu seinen Glaubensbrüdern unermüdlich ein, nutzen, um das Land zu islamisieren.