Parasite Papers

An den Paradise Papers scheiden sich die Medien - die Guten von den Schlechten

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Die Berichterstattung zu den Paradise Papers ist aufschlussreich, insbesondere vor dem Hintergrund der Vertrauenskrise in die Medien. So hat die Süddeutsche insoweit Boden gut gemacht und sich mit den Superreichen dieser Welt offensiv anlegt. Mit deren gehorteten 7,9 Billionen Euro könnte man Berechnungen der Süddeutschen zufolge alle derzeit Hunger leidenden Menschen 61 Jahre lang ernähren oder weltweit alle Kinder ohne Schulbildung viereinhalb Jahre nach deutschen Standards unterrichten. Der Vorschlag, statt von Paradise Papers von "Parasite Papers" zu sprechen, hat einen gewissen Charme.

Während die Panama Papers hierzulande nur einen überschaubaren Impact hatten, weist der aktuelle Leak politisches Potential für gesellschaftlichen Druck auf, um die schwachen Gesetze endlich im Sinne der Mehrheit und nicht der Lobby zu optimieren. Spannend ist allerdings die Frage, warum der bevorratete Leak erst nach der Bundestagswahl präsentiert wurde. Der Steuerschaden, mit den die unsozialen Superreichen die Mehrheit langfristig belasten, wäre wohl ein gravierenderes Wahlkampfthema als die Flüchtlingskrise gewesen.

Demgegenüber scheint sich die Springer-Presse mal wieder selbst zu parodieren: Statt die Maßlosigkeit der Superreichen zu betonen, relativiert die BILD-Zeitung die Kritik mit der rhetorischen Frage Sind die kleinen Leute wirklich ehrlicher als die Reichen? Respekt, auf so einen dreisten Spin muss man erst einmal kommen! BILD bekennt sich zum Platz am Tisch der Parasiten, die Herde will nun einmal ruhig gehalten werden.

UPDATE: Das Springer-Blatt DIE WELT kommentiert: "Es ist gut, dass es Steueroasen gibt. Eine Welt ohne diese Schlupflöcher wäre keine bessere. Bargeld ist geprägte Freiheit."

Es ist dieselbe Springer-Presse, die gerade gegen die Internet-Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks lobbyiert und damit die Gebührenzahler um den dauerhaften Genuss der von ihnen finanzierten Werke prellen will. Print-Journalisten, die anderen den neoliberalen Kapitalismus predigen, beanspruchen gegen Konkurrenz also ausgerechnet staatlichen Artenschutz und Subvention durch Behinderung. Recherchen wie die Paradise Papers wären allerdings ohne einen finanziell unabhängigen Partner wie etwa den NDR schwer bis gar nicht durchführbar.