Sondierungen: Grüne verzichten auf feste Ausstiegsdaten bei Kohle und Verbrennungsmotoren

Auch beim Thema Flüchtlinge zeigt sich die Partei bereit für Angebote der anderen: Sie besteht auf "Humanität und Ordnung" - gegen Obergrenzen

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Die Geduld der Bundesbürger geht laut der Boulevard-Macht zu Ende: "Das Wahlvolk ist von den Sondierungsrunden offenbar schon genervt", verkündetdie Bild-Zeitung aufgrund von 0,5- (FDP) bis 1,5-Prozent-Wählergunst-Einbußen (Grüne) der Jamaika-Parteien bei einer Insa-Umfrage. Die Kanzlerin Merkel hat indessen ein Enddatum für die Sondierungen gesetzt.

In der "Endrunde" bis zum nächsten Donnerstag, den 16. November sollen ihrer Ansage gemäß die "Knackepunkte"(!) herausgearbeitet und die Sondierungsgespräche beendet sein. Der Option "Neuwahlen" gegenüber zeigte sich Merkel nicht enthusiastisch. Sie "warnte" sogar davor, darüber zu spekulieren, schreibt die Zeit.

Aber wer sollte das riskieren wollen? Die Aussichten sind danach, dass die Neuwahlen keine wesentlich andere Mehrheit ergeben würden. Also muss man sich wahrscheinlich auf Koalitionsgespräche der vier Parteien einstellen und hoffen, dass sie sich dabei nicht im Klein-Klein verlieren und erst, wie vor Wochen vorhergesagt, zu Weihnachten ein gemeinsames Papier ausgearbeitet haben.

Konsenskurs

Einzelne Äußerungen aus der Sondierungsrunde sind so weit und kompromissbereit gefasst, dass sie das Zustandekommen der Koalition mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen lassen. Zum Beispiel beim "Knackepunkt" Migration und Flüchtlinge. In Sachen Flüchtlinge könne er sich "so etwas vorstellen wie Humanität und Ordnung", wird der Grünenfraktionschef Anton Hofreiter zitiert.

Da ist jemand auf Konsenskurs. Überhaupt zeigen die Grünen ein großes Interesse am Mitregieren. Bei Punkt 1 und 2 ihres Zehn-Punkte-Plans für grünes Regieren machen sie Abstriche.

Es komme nicht darauf an, "ob das letzte Kohlekraftwerk 2030 oder 2032 vom Netz geht", sagt Parteichefin Simone Peter. Der Komplettausstieg bis 2030 ist nicht entscheidend, sondern die CO2-Minderung. Hierzu gab sie eine neue Maßgabe vor:

Uns geht es darum, dass die CO2-Emissionen 2020 um 40 Prozent unter dem Ausstoß von 1990 liegen und dass die Sektorziele für 2030 eingehalten werden, auch mit Blick auf die Paris-Ziele.

Simone Peter

Auch das andere symbolische Datum, Punkt 2 des Regierungsplans aus dem Wahlkampf - "Wir wollen ab 2030 nur noch abgasfreie Autos neu zulassen" - erweist sich bei den Sondierungsgesprächen als "Verhandlungsmasse".

Die Grünen könnten "alleine nicht das Enddatum 2030 für die Zulassung von fossilen Verbrennungsmotoren durchsetzen", so die Einsicht des Parteivorsitzende Cem Özdemir. Für den Verzicht der beiden Markierungen, die den Grünen größere Medienaufmerksamkeit bescherten, fordert man jetzt Entgegenkommen der anderen bei realen Maßnahmen.

Özdemir fordert "ökologische Anreize beim Dienstwagenprivileg und ein Bonus-Malus-System zugunsten von Elektroautos bei der Kraftfahrzeugsteuer" als konkrete Schritte. Das klingt harmlos genug, um kein großes Hindernis darzustellen.

Politisch schwieriger umzusetzen, dürfte die Erwartung Özdemirs sein, dass "die Gerichtsurteile zu den Stickoxidemissionen umgesetzt werden, damit wir die Städte sauberer bekommen". Aber das ist keine Sache der Bundesregierung, sondern der Gerichte und der Kommunen.

Der Grünen-Parteitag

Ob die Grünen konkrete klimapolitische Zusagen, etwa zu einer politischen Wende bei den Kohlekraftwerken oder auch bei der Agrarwende, holen können, liegt nicht nur im Interesse der Führung der Grünen, sondern auch im Interesse der drei anderen Parteien.

Denn der Parteitag der Grünen am 25. November ist entscheidend für den Fortlauf der Koalitionsverhandlungen. Die "Basis" muss das Entgegenkommen absegnen.

Insofern ist auch die schneidige Äußerung von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zum Entgegenkommen der Grünen - "Wenn man Schwachsinnstermine abräumt, dann ist das ja noch kein Kompromiss" - bloßes Mundwerk.

Die CSU braucht die Grünen, wenn diese Koalition zustande kommen soll. Neuwahlen sind für die CSU gleichbedeutend mit der Ablösung der jetzigen Führung und ungewissem Ausgang einer größeren Krise, die momentan nur mit großer Mühe kontrolliert wird.