Armut in Frankreich: Stagnation der Misere

Secours Catholique in Metz. Screenshot Video Secours Catholique

Der Bericht der französischen Caritas-Organisation Secours Catholique: Keine auffallenden Ausschläge, aber stetige Verschlechterungen am armen Rand der Gesellschaft

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Am aktuellen Bericht der französischen Caritas-Organisation Secours Catholique zeigt sich ein Aufmerksamkeitsproblem. Wie kann man der Öffentlichkeit eine Misere nahebringen, wenn die Quoten nicht, wie man es aus Politik, Wirtschaft, Unterhaltung oder Sport gewöhnt ist, keine auffallenden Ausschläge anzeigen, weder animierende Verbesserungen noch einen katastrophale Krisenausschlag nach unten? Wie kann man die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass mit der Politik gegen die Armut etwas nicht stimmt, wenn sich die aufeinanderfolgenden Jahresberichte derart ähneln?

Auch wenn sich die Situation nicht verschlechtert, sie verbessert sich auch nicht, fasst Le Monde das Ergebnis des Secours Catholique-Berichts zum Stand der Armut in Frankreich 2017 im Vergleich zum Vorjahresbericht zusammen. Schon im November letzten Jahres war zum Beispiel von 9 Millionen die Rede, die arm sind (siehe dazu: Frankreich: Die Armut wächst). Die Armutsschwelle liegt in Frankreich bei 1.015 Euro monatlich.

Der vorherige Bericht verzeichnete 1,4 Millionen "Personen in Schwierigkeiten", die sich 2015 hilfesuchend bei der Organisation gemeldet haben. Der aktuelle Bericht verzeichnet 1,5 Millionen. Das sind Hunderttausend mehr, aber anscheinend nicht spektakulär genug. Auch wenn deren Medianeinkommen mit lediglich 548 Euro monatlich angegeben wird und dessen Steigerung mit 3 Euro in sechs Jahren.

Auch der Anteil der Haushalte ohne Einkommen steigt, wie der Bericht ermittelt. Jeder fünfte Haushalt, von dem die Caritasvereinigung 2016 über die Hilfesuchenden Kenntnis erhielt, habe keine "Ressourcen". 2015 waren es 0,5 Prozent weniger und im Jahr davor 1,2 Prozent weniger.

Von den 1, 4 Millionen, die 2016 bei Secours Catholique vorsprachen, fragten 60 Prozent um Rat, 56% baten um Hilfe bei Nahrungsmitteln, und 18,5 Prozent wollten "Pannenhilfe", um ausstehende Strom -oder Wasserrechnungen zu begleichen. Der Vorjahresbericht notierte, dass die größten Nachfragen mit 57% das Zuhören der geäußerten Nöte betraf und zu 55 % die Lebensmittelversorgung; 18 Prozent baten um Hilfe bei der Miete oder anfallenden Rechnungen. Die Zahlen ähneln sich.

Die Armutssituation verbessere sich nicht, es sei eine Stagnation zu beobachten, erklärt Véronique Fayet, die Präsidentin der christlichen Hilfsorganisation, in einem Interview und warnt vor einem "Risiko der Banalisierung". Gemeint ist, dass sich die Öffentlichkeit daran gewöhnt habe, dass ihr "seit vier oder fünf Jahren erhöhte Kennzahlen für Armut" gemeldet werden.

Die Zahlen würden jedoch anzeigen, dass drei Millionen Kinder von Armut betroffen sind. Offensichtlich fürchtet Fayet, dass diese Misere in der öffentlichen Wahrnehmung nicht die Relevanz bekommt, die sie in einem nicht armen Land wie Frankreich mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der EU haben sollte.

Die Führung von Secours Catholique versucht einerseits, mit Pressearbeit dagegen zu halten. "Die Kinder machen von jetzt an die Mehrheit der Hilfesuchenden aus", wird der Generalsekretär bei Francetvinfo zitiert. Zum anderen versucht man mit Zahlen gegen gängige Vorurteile anzugehen: etwa dass "Arme faul sind" oder "Profiteure von Sozialleistungen"oder dass Zugewanderte die Sozialsystem ausnützen würden.

Laut ihren Zahlen stellte sich nämlich heraus, dass nur 31 Prozent der Hilfesuchenden, die zu den Caritas-Stellen kamen, von ihrem rechtmäßigen Anspruch auf Sozialleistungen für Familien Gebrauch machten. Bei denjenigen, die Anspruch hatten auf eine individuelle Sozialleistung in Form des Mindesteinkommens RSA waren es 40 Prozent, die ihren Anspruch beim Staat nicht geltend machten.

Erklärt wird dies mit "Unkenntnis" oder "Scham", aber auch Schwierigkeiten beim Zugang zu Ämtern. Dies trifft wohl hauptsächlich auf Zugewanderte zu. Die Mehrheit der Kinder ohne genügende Ressourcen (55%) wächst bei Alleinerziehenden auf, 44 Prozent der Erziehungsberechtigten stammen aus anderen Ländern.