Griechenland: Aufregung im Verteidigungsministerium

Panos Kammenos. Foto: WA

Waffenverkäufe über Mittelsmänner, die keine sind

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Dass Griechenland - auch in der Finanzkrise - zu den größten Waffenimporteuren der Welt zählt, ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist, dass das Land auch selbst über eine Waffenindustrie verfügt und sogar exportiert. Griechenland hat eigene, teilweise verstaatlichte Rüstungsunternehmen. Um eines der Exportgeschäfte entwickelt sich in den letzten Tagen eine interessante Affäre.

Eine Firma ohne Umsatz, ein Minister und arabische Staaten als Waffenkäufer

Im Mittelpunkt der Affäre stehen Verteidigungsminister Panos Kammenos, ein Vermittler, der nach Kammenos Meinung keiner ist und Saudi-Arabien. Es geht um den Verkauf von 300.000 Geschossen des Kalibers 105 mm aus griechischer Produktion. Der Staat versprach sich von dem Deal 66 Millionen Euro. Diese wiederum möchte das Verteidigungsministerium für die Modernisierung der Rüstung der Streitkräfte einsetzen.

Der Vermittler, Vasilis Papadopoulos aus dem nordgriechischen Axioupolis in der ehemaligen Präfektur Kilkis, ist ein Unternehmer, der selbst eine kleine Waffen- und Munitionsmanufaktur besitzt. Papadopoulos Firma, die Olympic Industries SA, scheint selbst nicht sehr produktiv zu sein. Im gesamten Jahr 2013 betrug der Umsatz lediglich 6000 Euro und verbuchte 53.000 Euro Verlust.

Papadopoulos Erfolge auf anderen Gebieten, der Vermittlung von Geschäften, sind dagegen ungleich größer. Beim Deal Griechenlands mit Saudi-Arabien ist er nach Ansicht von Verteidigungsminister Kammenos offizieller Vertreter des Staats Saudi-Arabien. Als solcher unterzeichnete er am 13. Juni 2017 am Flughafen Thessaloniki den Kaufvertrag, den er jedoch mit seinem Firmenstempel besiegelte. Die eilige Unterschrift war vom Ministerium veranlasst worden, obwohl oder weil der Konsul Griechenlands, Ilias Klouvatos, aus Riad ein eiliges Telegramm geschickt hatte.

Darin warnte er vor dem Geschäft, weil "saudi-arabische Militärs komplette Unkenntnis über die Tätigkeiten des Herrn Papadopoulos geäußert haben und wünschen, dass das Geschäft von Regierung zu Regierung besprochen wird." Kammenos bestreitet in aktuellen Interviews die Existenz des Telegramms keineswegs. Er zweifelt jedoch mit Verweis auf die Facebookseite des Diplomaten an dessen Seriosität. Das Außenministerium hat sich noch nicht geäußert.

Kammenos behauptet zudem, dass Papadopoulos offizieller Vertreter des saudi-arabischen Staats sei und präsentiert Dokumente, welche dies belegen sollen. Persönlich kennen will der Minister den Geschäftsmann allerdings nicht. Zudem sei ihm, so der Minister, die Existenz der Olympic Industries SA unbekannt.

Die fraglichen, im griechischen Fernsehen gezeigten Dokumente betreffen jedoch nicht die Geschosse, um die es im aktuellen Fall geht, sondern amerikanische MK82 Bomben aus dem Produktionsjahr 1974. Geschosse des gleichen Kalibers wie im am 13.Juni 2017 geschlossenen Vertrag kaufte Papadopoulos, der am 11. Juli 2016 als offizieller Staatsvertreter empfangen wurde, für das Königreich Jordanien. Papadopoulos, der am 9. August 2016, als Vertreter seiner eigenen Firma im Verteidigungsministerium vorstellig wurde kaufte auch für Katar und Kenia.

Kammenos beharrt darauf, dass es unter seiner Verantwortung anders als bei den Vorgängerregierungen keinerlei Mittelmänner bei Waffengeschäften gäbe.

Wie der Deal bekannt wurde

Die Opposition sieht sich getäuscht. Es gibt noch unbeantwortete parlamentarische Anfragen und öffentliche Äußerungen führender Politiker, die behaupten, der Verteidigungsminister habe eigenmächtig und am Parlament und den zuständigen Parlamentsausschüssen vorbei gehandelt. Sie wundern sich über die offensichtlich widersprüchlichen Dokumente, welche Kammenos in Interviews, aber auch zeitweise auf der Internet-Präsenz des Verteidigungsministeriums präsentiert.

Die Opposition droht, die von Kammenos mit Geheimhaltung belegten Protokolle und Dokumente der entsprechenden Ausschüsse zu veröffentlichen, wenn dieser mit der Taktik seiner verwirrenden Informationspolitik fortfahre. Der Minister behauptet weiterhin, dass die Oppositionsvertreter informiert worden seien, und dem Geschäft zugestimmt hätten.

Bekannt wurde die Affäre durch einen Pressebericht von "To Proto Thema". Die Zeitung berichtete am vergangenen Wochenende über einen seltsamen Vorfall im Verteidigungsministerium. Ein von Kammenos selbst einige Monate zuvor ins Amt als Verantwortlicher für Rüstungsgeschäfte berufener Brigadegeneral hatte sich beim Minister über Vorgänge hinsichtlich des Deals mit Saudi-Arabien beschwert. Kammenos ließ - außer sich vor Wut - den General von der Militärpolizei festnehmen.

Die Zeitung stellte folgende Fragen:

• Wieso beeilte sich das Ministerium, den Verkauf der 105 mm Geschosse schnellstmöglich über die Bühne zu bringen? Gemäß der Zeitung läge dies an einem drohenden Waffenembargo der EU gegen Saudi-Arabien wegen der Kriegsverbrechen der Saudis im Konflikt mit Jemen.

• Warum gibt es trotz eines bilateralen Vertrags zwischen beiden Staaten einen Mittelmann?

• Wie ethisch ist es, wenn die Regierung des SYRIZA, die sich selbst als Regierung der Linken bezeichnet, sich selbst in den Genozid verwickelt, der im Jemen stattfindet? Wie steht die Regierung dazu, dass im Krieg in Jemen eine humanitäre Katastrophe ausgelöst wird, welche zwanzig Millionen Menschen betrifft.

• Welchen Fehler machte der für Rüstung verantwortliche Brigadegeneral im Fall Saudi-Arabiens, so dass er als Mitglied einer Bande, welche den Vertrag unterlaufen will, angeklagt wird, nur weil er mit dem für Rüstung verantwortlichen Militär Saudi-Arabiens über den zwischenstaatlichen Vertrag sprach?

Konkrete, stichhaltige und mit Dokumenten belegte Antworten auf diese Fragen gibt es bis heute nicht.