Untersuchungsbericht belastet VW Brasilien schwer

Die brasilianische Tochterfirma des Volkswagen-Konzerns wird durch einen neuen Untersuchungsbericht schwer belastet. In dem von der Bundesstaatsanwaltschaft São Paulo in Auftrag gegebenen Gutachten wird VW Brasilien vorgeworfen, sich aktiv an der Verfolgung von Regimegegnern beteiligt zu haben

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Volkswagen do Brasil, Werk Anchieta

(Bild: VW)

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  • dpa

In einem von der Bundesstaatsanwaltschaft São Paulo in Auftrag gegebenen Gutachten wird VW Brasilien vorgeworfen, sich aktiv an der Verfolgung von Regimegegnern beteiligt zu haben. Laut dem bislang unveröffentlichten, 406 Seiten starken Dokument, das NDR und Süddeutscher Zeitung vorliegt, hat die VW-Tochter in Brasilien die eigenen Mitarbeiter und deren politische Gesinnung in der Zeit der Militärdiktatur (1964 bis 1985) ausgespäht und dies in Akten dokumentiert.

Volkswagen do Brasil, Werk Anchieta

(Bild: VW)

Diese Informationen landeten bei der Politischen Polizei, die Regimegegner folterte und tötete. Das Gutachten bestätigt damit vorherige Recherchen von NDR, SWR und Süddeutscher Zeitung. „VW hat sich an der Ausübung der Repression beteiligt. Nicht nur ideologisch. Das Unternehmen hat an der polizeilichen, politischen Repression der Arbeiter mitgewirkt“, so der Hauptgutachter der Bundesstaatsanwaltschaft, Guaracy Mingardi. VW Brasilien habe dabei aus eigenem Antrieb gehandelt, nicht etwa auf Aufforderung des Regimes: „Die Firma hat mitgemacht, weil sie das so wollte“, so Mingardi gegenüber dem NDR.

Außerdem habe Volkswagen politische Verhaftungen auf dem Werksgelände unterstützt, für die keine Haftbefehle vorgelegen hätten. Wie viele Fälle von Verhaftungen es gegeben habe, sei nach wie vor offen. Für den Sommer 1972 wisse man von mindestens sechs. Es sei unwahrscheinlich, dass VW nicht schon im Vorfeld der Verhaftungen aktiv an den vorbereitenden Ermittlungen teilgenommen habe, so Mingardi.

Diese Entscheidungen seien mindestens auf der Ebene der Abteilungsleiter getroffen worden. Verhaftete Mitarbeiter seien monatelang von der Politischen Polizei gefoltert worden. Außerdem habe der Konzern dem Bericht zufolge auch mit anderen Institutionen des Regimes wie dem Geheimdienst zusammengearbeitet. VW Brasilien habe darüber hinaus eine führende Rolle in einem Firmennetzwerk gespielt, das sich über oppositionelle Mitarbeiter austauschte und schwarze Listen erstellte.

Nach Einschätzung des brasilianischen Bundesstaatsanwaltes Pedro Machado, der die Ermittlungen gegen VW Brasilien leitet, zeigt der Bericht „reichlich Belege“ für eine systematische Zusammenarbeit von VW mit der brasilianischen Militärdiktatur. Aufgrund der neuen Qualität der Belege sei in dem zivilrechtlichen Ermittlungsverfahren nun die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens nicht mehr ausgeschlossen. Derzeit setzt man aber noch auf einen Vergleich: „Wir hoffen, dass die Firma sich bewusst wird, was passiert ist, und den Fehler anerkennt und wir nicht in ein Gerichtsverfahren einsteigen müssen“, so der Bundesstaatsanwalt.

VW will sich bislang zu den Vorwürfen inhaltlich nicht äußern, kündigt aber für Dezember 2017 eine Veranstaltung in Brasilien an. „Wir werden dort auf Betroffene zugehen, es wird ein Zusammentreffen mit einem hochrangigen Vertreter von VW geben, aber auch ein Paket von nachhaltigen Maßnahmen umgesetzt, was der gesellschaftlichen Verantwortung von Volkswagen in Brasilien gerecht wird“, so der VW-Chefhistoriker Dieter Landenberger.

Die Ermittlungen in Brasilien stehen nun nach NDR-Informationen kurz vor dem Abschluss. Nach Berichten von NDR, SWR und SZ im Juli 2017 hatten die Ermittler ein internationales Ermittlungsgesuch gestellt, mit dem der Volkswagen-Konzern in Wolfsburg zur Herausgabe von Dokumenten aufgefordert wird. Zudem wollen die brasilianischen Ermittler den von VW beauftragten Bielefelder Historiker Christopher Kopper und den ehemaligen VW-Chefhistoriker Manfred Grieger befragen. (mfz)