BND-Chef Kahl: "Bei der Krim brauchen wir uns keine Hoffnung mehr zu machen"

Bruno Kahl bei seiner Rede. Foto: Hanns-Seidel-Stiftung/Thomas Reiner

Rede soll Beginn einer "Öffentlichkeits-Offensive" des Bundesnachrichtendienstes sein - neuer Studiengang "Master of Intelligence" für Nachwuchsagenten

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Bruno Kahl ist seit Juli 2016 Präsident des deutschen Auslandsgeheimdiensts BND, trat aber bislang kaum in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Das soll sich nun ändern. Eine Grundsatzrede, die er gestern vor etwa 300 Zuhörern hielt, war der veranstaltenden Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) zufolge der Beginn einer "Öffentlichkeits-Offensive". Im Rahmen dieser Offensive rechtfertigte Kahl unter anderem den teuren (und entsprechend umstrittenen) Umzug seiner 4.000-Mitarbeiter-Behörde nach Berlin, wo man der Politik näher sei, und kündigte einen neuen Studiengang "Master of Intelligence" an, in dem gezielt Nachwuchsagenten ausgebildet werden sollen.

Der Bundesnachrichtendienst ist Kahl zufolge auch ein gutes Vierteljahrhundert nach dem Ende des Kalten Krieges eine sinnvolle Einrichtung. Dafür führte er mehrere Gründe an: Einer davon ist seiner Ansicht nach die Gefahr, die sich mit dem technischen Fortschritt ergibt. Deshalb will er die Technikexperten des BND (die nicht nach Berlin ziehen, sondern in Pullach bleiben) in Fragen wie dem Schutz von Daten und digitalen Infrastrukturen eng mit dem Forschungsinstitut Cyber Defence der Universität der Bundeswehr in München zusammenarbeiten lassen.

Weltweites Migrationspotenzial von "weit mehr als einer Milliarde Menschen"

Ein weiterer Grund für den Sinn des BND sind Kahls Worten nach gescheiterte oder zu schwache Staaten, die wahhabitischen Terrorgruppen Wachstumsflächen bieten und deren Bevölkerungsüberschuss massenhaft nach Europa drängt. Das weltweite Migrationspotenzial liegt seiner Einschätzung nach bei "weit mehr als einer Milliarde Menschen". Alleine Afrika wachse jährlich um ungefähr 30 Millionen Einwohner - und es sei zweifelhaft ob eine Bekämpfung von Migrationsursachen, wie sie beispielsweise dem EU-Parlamentspräsidenten Tajani mit seinem Marshallplan für Afrika vorschweben, mit "dieser Dynamik überhaupt Schritt halten" kann.

Auf der anderen Seite könne aber auch Chinas starkes Wirtschaftswachstum, das das Land auch außenpolitisch selbstbewusster werden lässt, die bisherige Weltordnung durcheinanderbringen. Unsicherheitsfaktoren für China selbst sind seiner Einschätzung nach ein Unzufriedenheitspotenzial in der Bevölkerung und die nicht durch Wahlen, sondern in der Partei ausgehandelte Frage, wer einem Staatschef nachfolgt.

"Machtpolitische Ambitionen Russlands"

Auch Russland versucht Kahls Meinung nach seine Macht zu vergrößern und die der USA und der EU zu verringern. Die Süddeutsche Zeitung und die Bild-Zeitung konzentrierten sich in ihrer Berichterstattung über die Rede Kahls ganz auf diesen Punkt.

"Bei der Krim", zitiert die SZ den BND-Chef, "brauchen wir uns keine Hoffnung mehr zu machen". Und: "Statt einem Partner für die europäische Sicherheit haben wir in Russland eher eine potenzielle Gefahr - der weltpolitische Akteur Russland ist zurück, er wird ein unbequemer Nachbar bleiben." Die Erkenntnisse zur Modernisierung der russischen Streitkräfte, die dem BND vorliegen, hält Kahl für "erstaunlich" und "beunruhigend". Letzteres gelte auch für die aktuelle Truppenverteilung. Die Politik müsse sich deshalb fragen, "ob die eigenen Wehr- und Rüstungsfähigkeiten ausreichen", um die russischen "Bedrohungspotenziale ausgleichen und abschrecken" zu können - ein Hinweis an die Jamaika-Sondierungsverhandler, angesichts der teuren anderen Wünsche, die Donald Trump und der NATO versprochenen höheren Rüstungsausgaben nicht aus dem Blick zu verlieren.

Außerdem sollte Europa Kahls Ansicht nach als Antwort auf die Ambitionen Russlands noch stärker als bisher mit den Amerikanern zusammenarbeiten. Das gilt seinen Worten nach auch für die Zusammenarbeit der jeweiligen Geheimdienste, die in den letzten Jahren unter anderem durch die NSA-Enthüllungen in die Kritik geriet. Gleichzeitig müsse man aber auch mit Russland im Gespräch bleiben und dürfe das Land nicht zurückweisen.