Durchbruch der Gentherapie von Menschen mit der Hilfe von Genscheren?

In den USA wurde erstmals ein Patient mit Morbus Hunter einer Therapie unterzogen, bei der mit Genscheren an einem bestimmte Stelle der DNA von Leberzellen ein korrigiertes Gen eingeschleust wird

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Erstmals wurde in den USA eine neue Gentherapiemethode mit der Hilfe von Zinkfingerproteinen als Genschere an einem Menschen im UCSF Benioff Children's Hospital Oakland ausprobiert, wie AP und das Biotech-Unternehmen Sangama Therapeutics berichten. Am Montag erhielt der 44-jährige Brian Madeux, der an einer milden Form der seltenen, fast ausschließlich bei Männern auftretenden Erbkrankheit Morbus Hunter (Mukopolysaccharidose Typ II - MPS II) leidet, aber bereits zahlreiche Operationen hinter sich hat, eine Infusion mit Milliarden von Ersatzgenen und genetischen Instruktionen zur Bildung von zwei Zinkfingerproteinen, um die Gene genau an der Stelle auszuwechseln, wo das die Krankheit verursachende Gen sitzt.

MPS II wird durch die Mutation des Gens I2S verursacht, wodurch zu wenig Iduronat-2-Sulfatase (I2S), ein lysosomales Enzym, erzeugt wird. Das Enzym baut Glykosaminoglykane (GAG) ab. Durch einen Mangel des Enzyms reichern sich diese Stoffwechselprodukte in den Zellen an. Dadurch können viele Organe geschädigt werden und auch neurologische Schädigungen entstehen. Der Krankheitsverlauf ist unterschiedlich. Behandelt wird MPS II bislang mit einer kontinuierlich wiederholten, aber sehr teuren Enzymersatztherapie. Dabei wird das fehlende lysomale Enzym gentechnisch hergestellt und mittels einer Infusion dem Körper zugeführt. Da die Krankheit nur durch die Mutation eines einzigen Gens verursacht wird, eignet sie sich auch für eine Gentherapie.

Bei dem Ansatz des Biotech-Unternehmens Sangama Therapeutics für die erste Phase des klinischen Versuchs wird mittels in vivo Gene-Editing nicht das mutierte Gen mit einer Genschere verändert, sondern mittels eines Vektors (Adeno-assoziierte Viren - AAV) werden Ersatzgene und genetische Anweisungen zur Bildung von zwei Zinkfingerproteinen zu Leberzellen transportiert. Dort bilden die Zellen erst die Zinkfingerproteine, die dann die DNA gezielt nahe am Promotor des Gens für die Codierung des Proteins Albumin ausschneiden. Die Zellen reparieren den Eingriff durch den Einbau der Ersatzgene, die vom Protein Albumin gesteuert werden, das im Blut Moleküle transportiert.

Die gentechnisch veränderten Leberzellen sollen dann das fehlende Enzym herstellen und liefern - und zwar, so die Hoffnung, für lange Zeit. Bei herkömmlichen Genthereapien werden in den Körper eingebrachte Gene zufällig an irgendeiner Stelle in das Genom eingebaut, was zu Risiken wie Krebsbildung führen kann. Bei diesem Versuch wird das neue Gen gezielt in Leberzellen eingebaut und es werden auch nur relativ wenige Zellen verändert. Es würde auch reichen, nur ein Prozent der Leberzellen zu verändern, um ausreichende Mengen des Enzyms herzustellen.

Mögliche Risiken

Aber wie bei der Enzymersatztherapie könnte auch das von den Leberzellen erzeugte Enzym an der Blut-Gehirn-Schranke scheitern. Deswegen kann die Ersatztherapie auch die fortschreitende Gehirnschädigung nicht stoppen, die bei MPS II-Patienten auftreten kann. Das könnte, sollte die neue Gentherapie mit Gene Editing funktionieren, auch hier nicht der Fall sein.

Es besteht aber auch das Risiko, dass die zwar viel verwendeten und als ungefährlich geltenden Adeno-assoziierte Viren eine Immunreaktion herrufen könnten. Das geschieht bei einigen Patienten. Die Genscheren müssen auch nicht im präzise an dem vorgesehenen Ort schneiden und könnten eventuell ein Krebsgen einschalten. Sangamo geht davon aus, dass dies nur selten vorkommt und vor allem an nichtfunktionalen DNA-Abschnitten.

Sangamo will mit derselben Gentherapietechnik auch bereits von der FDA genehmigte klinische Versuche zur Behandlung von Morbus Hurler und Hämophilie B ausführen. Der Vorteil der Methode ist, dass sie zur Behandlung von vielen Krankheiten verwendet werden könnte. Entsprechend schwärmt Sany Macrae, CEO von Sangamo Therapeutics: "Zum ersten Mal hat ein Patient eine Therapie erhalten, mit der präzise die DNA von Zellen direkt im Körper verändert wird. Wir sind am Beginn einer neuen Frontier der Genmedizin."