Feuerwerk auf der Dealey Plaza

Ruby kurz bevor er auf Oswald schießt und ihn tötet. Bild: gemeinfrei

Wusste Jack Ruby vom geplanten Kennedy-Attentat?

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Am Freitag wurden weitere Akten zum Kennedy-Mord freigegeben, welche auf Wunsch der CIA unter Verstoß gegen den JFK-Act über den 26. Oktober 2017 hinaus zurückgehalten wurden. Spektakulärster Fund ist eine erstaunliche Zeugenaussage zum Oswald-Killer Jack Ruby. So soll Ruby den FBI-Informanten Bob Vanderslice am Morgen des Attentats gefragt haben, ob er ihn zur Kennedy-Parade begleiten und "das Feuerwerk" sehen wolle. Als die Schüsse fielen, soll Ruby an der Ecke des damaligen Postal Annex Buildings gestanden haben, mit Blick auf die Dealey Plaza und das Schulbuchlager.

Wenn Ruby von einem geplanten Attentat im Vorfeld Kenntnis hatte, wäre die Alleintäter-These hinfällig. Der wesentliche Inhalt des nun freigegebenen FBI-Dokuments mit der Einladung zum Feuerwerk ist Attentatsforschern seit langem bekannt. Solange das Papier jedoch unter Verschluss war, konnte man die Diskussion über ein Vorwissen Rubys als Geraune von Verschwörungstheoretikern abtun - wie es ein CIA-Memo von 1967 empfahl.

Jack Ruby

Die Person des Jack Ruby ist in vielfacher Hinsicht spannend. Ruby, eigentlich Jacob Rubinstein, machte eine Gangsterkarriere im Chicagoer Outfit, wo er jedoch als Nichtitaliener nur begrenzte Aufstiegschancen hatte. Nach Meinung mancher Autoren schickte ihn Al Capone nach Dallas, wo er als Verbindungsmann zur von Carlos Marcello geführten Südstaatenmafia für gemeinsame Geschäfte wie etwa den Drogenschmuggel fungierte.

Die Warren-Kommission zeigte erstaunlicherweise zunächst kein Interesse an einem Gespräch mit Ruby, bis dieser schließlich selbst einen Besuch von Richter Warren erreichte. Ruby bot Warren sogar ein Verhör mit einem Lügendetektor an, verlangte jedoch die Verlegung in ein Gefängnis in Washington DC, da man in Dallas nicht für seine Sicherheit garantieren könne. Die Warren-Kommission gelangte zu dem spannenden Ergebnis, dass es keine Verbindung zwischen Ruby und der Mafia gäbe und Ruby aus eigenem Entschluss gehandelt habe – so, wie angeblich auch Oswald.

Die Vorstellung, ein Rotlicht-Unternehmer im Revier von Carlos Marcello hätte nichts mit der Mafia zu tun gehabt, erscheint allerdings unglaubhaft. Am Tag vor dem Kennedy-Attentat war Ruby in einem Restaurant der Campisi-Brüder gesehen worden, zwei Südstaatenmafiosi. Joe Campisi besuchte Ruby sogar am 30. November 1963 im Gefängnis. Indizien sprechen dafür, dass Ruby 1959 auf Kuba sogar den Mafiaboss Santos Trafficante getroffen hatte. Das House Select Committee on Assassinations, welches Mitte der 1970er Jahre die Attentate auf die Kennedys und Martin Luther King untersuchte, kam zu dem Schluss, Ruby habe als Kurier für Mafiageschäfte fungiert.

Während seiner Zeit in Chicago war Ruby offenkundig Mitglied der Al Capone-Gang gewesen, in Kalifornien hatte er unstreitig jahrelang für einen Profispieler gearbeitet, der wiederum enge Verbindungen zur damals besonders starken Glücksspielmafia hatte. Ruby fungierte auch als Schatzmeister einer mafiösen Gewerkschaft, deren Mitbewerber schon mal erschossen wurden. Ein Zeuge James E. Beaird, der sich als Freund von Oswald bezeichnete, behauptete zudem, Ruby habe in den späten 1950er Jahren Waffen und Munition für Fidel Castros Revolution geliefert. Rubys Anwalt Tom Howard machte Andeutungen, der Gangster habe auch Verbindungen zu einem Waffenhändler, der Exilkubaner belieferte.

In den 1960er Jahren war allerdings politisch hochumstritten, ob es „die Mafia“ überhaupt gab. Insbesondere Italo-Amerikaner prangerten Bücher wie „Der Pate“ als Diskriminierung von Italienern, es handele sich bei der Mafia um eine Verschwörungstheorie. Tatsächlich hatte Robert Kennedy, der sich bereits bei McCarthy als Kommunisten-Jäger verdingt hatte, seinen Kampf gegen die Mafia auf politischer Ebene geführt. Auf dem Höhepunkt des Konflikts ließ Robert Kennedy Carlos Marcello sogar illegal deportieren, da dieser keine US-Staatsangehörigkeit hatte.

Die großen US-Mafia-Familien hatten sich in den 1930er Jahren zu einem Syndikat zusammengeschlossen und die USA untereinander territorial aufgeteilt. Dabei kooperierten sie beim Drogenhandel und der Geldwäsche, die vor allem auf Kuba praktiziert wurde, und verfolgten gegenüber dem FBI und Politikern gemeinsame Sicherheitsinteressen. So machten die Unterweltbosse FBI-Chef Hoover gefügig, indem sie ihm die Veröffentlichung angeblich pikanter Fotos aus dessen Privatleben ersparten und ihn mit Gewinnen aus Pferdewetten beglückten.