Zu fett

The Biggest Loser Germany. Bild: Sat1

Der egoistische Bauch - ein Opfer seiner Bakterien?

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Vor etwa 25 Jahren machte ich einmal ein Interview mit einer Gruppe von Österreichern, die damals rund 40 Jahre lang in Neuseeland gelebt hatten. Am längsten und ausgiebigsten verbreiteten sie sich über das neuseeländische Essen. Kurz gesagt, vermissten sie, auch nach 40 Jahren, immer noch ihre österreichischen Speisen. Ich fasste das Thema unter dem Zitat zusammen: "Einen vernünftigen Lungenbraten kriegt man da aber auch nirgends."

Das klingt natürlich nur für deutsche Ohren irgendwie humorig, ähnlich wie der "Tafelspitz" — welcher, bitte sehr, natürlich kein gebratener Hund ist. Auch der Lungenbraten ist einfach nur jenes solide Filetstück, das man z.B. in einem "Beef Wellington" eingekleidet vorfindet — eine kulinarische Delikatesse.

Dass man an den Speisen, die man in der Kindheit und Jugend kennen gelernt hat, am intensivsten festhält, bestätigt sich aber nicht nur bei österreichischen Emigranten.

Versuchen Sie einmal, wenn Sie zufällig iranische Bekannte haben, diese in ein Restaurant einzuladen. Der typische Deutsche und auch Österreicher unserer Tage wird quasi an den Fingern zweier Hände die in Frage kommenden Fresstempel aufzählen. Den ausgezeichneten Griechen um die Ecke, das Beograd, den Chinesen, das Levante, das Bombay, die üblichen drei Pizzerien, und so weiter. Eine gutbürgerliche deutsche Küche nach Hausmacherart wird er nicht nennen oder gar nicht kennen.

Die persischen Gäste werden abwinken, außer vielleicht beim Chinesen, und fragen, ob es nicht irgendwo ein persisches Restaurant gibt? Sie reagieren in dieser Hinsicht ausgesprochen hermetisch. Es schmeckt ihnen nur das, was sie seit Ewigkeiten kennen. Kein Inder, kein Grieche. Da sind sie wie die Österreicher aus den Fünfzigerjahren, die sich ihre Essensgewohnheiten in der Fremde jahrzehntelang erhalten haben.

Mir geht es dabei in gewisser Weise nicht unähnlich. Seit gut 25 Jahren laden mich beispielsweise Freunde und Zufallsbekannte immer wieder mal zum Sushi-Essen ein. Ich esse das Zeugs brav. Aber schmecken tut es mir immer noch nicht, und nicht einmal, wenn der Preis der Speisen ab 4 Uhr nachmittags um 50 Prozent gekappt wird, kaufe ich mir Sushi aus freien Stücken selber.

Als der erste McDonald's in Wien aufmachte, blieben die Wiener als solche lange Zeit skeptisch. Es waren in der Hauptsache Touristen, die den Laden frequentierten.

Heute gibt es Wiener Hausmannskost immer noch in einigen Restaurants. Um die Mittagszeit sieht man an einem Dutzend Tischen einsame alte Männer sitzen, denen die daheim kochenden Frauen weggestorben sind. Jetzt sitzen die Männer hier täglich vor einem Teller Fritattensuppe mit Leberknödeln. Vielleicht nehmen sie auch ein Tiroler Gröstl. Was auch immer - sie folgen dem Diktat ihres Bauches, der sich bei keiner anderen Labung wohlfühlen würde.

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