Ein Denkmal geht auf Reisen

Screenshot Livecam "Holocaust-Mahnmal besucht Höcke", YouTube

Björn Höcke und das "Zentrum für Politische Schönheit": Wenn die Aktionskunst den neuen Rechten auf die Pelle rückt. Ein Kommentar

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Björn Höcke, von dem nicht mehr ganz sicher ist, ob er nicht doch vielleicht Bernd heißt, könnte man auch so beschreiben: Wenn die AfD ein Rechtsausleger des Parteienspektrums ist, dann ist Björn (oder Bernd?) Höcke der Rechtsausleger des Rechtsauslegers.

Wobei ihn ein Kumpan auch schon mal als die eigentliche "Seele der Partei" bezeichnet hat. Verwirrend. Aber nicht halb so verwirrend wie die Tatsache, dass Höcke an seinem Wohnort, einem obskuren Kaff in Thüringen, jetzt Dauerbesuch von einem Denkmal bekommt.

Die Geschichte beginnt mit einer der Biersaalreden Höckes. Höcke, ein passionierter Fahnenstreichler, hält gern Reden vor mehr oder minder betrunkenen Männern.

Auch die Inhalte seines Auftritts vom 17.01.2017 im Dresdner "Ballhaus Watzke" sind nicht neu: Make Germany great again, das Holocaust-Mahnmal in Berlin sei ein Denkmal der Schande, überhaupt müsse das mit der ewigen Aufarbeitung der NS-Zeit aufhören, Doitschland, Doitschland über alles.

Seit 2015 ist klar, dass Höcke sehr wahrscheinlich unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" schon vor langen Jahren Propaganda für zwei NPD-Blätter gemacht hat; auch von daher bot sein nationalistischer Dresdner Stollen keine Neuigkeiten aus der Braunzone. Allerdings regten sich die Aktiven vom "Zentrum für Politische Schönheit" darüber auf.

Sie sind für drastische Politkunst bekannt. 2009 wollten sie Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier bei eBay versteigern. 2012 lobten sie eine Belohnung von 25.000 Euro für die Inhaftierung der Eigentümerfamilie des Rüstungskonzerns Krauss-Maffei Wegmann aus. 2015 brachten sie die Leichen von Flüchtlingen nach Berlin, die an den Außengrenzen der EU gestorben waren; eine Demonstration mit über 5000 Teilnehmern zum Bundestag endete mit einer Platzerstürmung und der Aushebung von 100 symbolischen Gräbern.

Das ZpS nennt diese Aktionen, die oft von Crowdfunding-Kampagnen begleitet sind, "aggressiven Humanismus". In dem Begleitvideo zu ihrem neuesten Coup ordnen sie "Nazi-Bernd", wie sie Höcke nennen, völlig korrekt in den Kontext der jüngsten rechtsradikalen Aufwallungen ein.

Wenig überraschend werfen sie ihm vor, Menschenhass wieder parteimäßig mitzuorganisieren und die Erinnerung an den Holocaust tilgen zu wollen - Zitate aus der besagten Rede Höckes dienen als Belege dafür. Deswegen, so sagen sie, habe sich das ZpS vor zehn Monaten in unmittelbarer Nachbarschaft zu Höckes Bornhagener "braunem Haus" eingemietet.

"Zivilgesellschaftlicher Verfassungsschutz Thüringen"

Man habe den "Zivilgesellschaftlichen Verfassungsschutz Thüringen" gegründet, um Höcke zu beobachten ("die wohl aufwendigste zivilgesellschaftliche Langzeitbeobachtung des Rechtsradikalismus in Deutschland"), und jetzt eben habe man ihm ein Zitat des Berliner Holocaust-Mahnmals direkt vor die Nase gesetzt: Es sind 24 Betonquader, die anscheinend zum Mahnmal für die ganz persönliche Schande von "Nazi-Bernd" werden sollen.

Die entsprechende Crowdfunding-Kampagne hat innerhalb eines Tages nicht nur die Errichtung des Denkmals finanziert, sondern auch seinen "Betrieb für mindestens 5 Jahre" - veranschlagter Kostenpunkt 54.000 Euro. Weitere 15.000 Euro hat das ZpS dafür eingeworben, Höcke am 2.12. auf dem Bundesparteitag der AfD in Hannover "eine ganz besondere Überraschung" zu bereiten. Zitat: "Machen wir ihm eine Freude, die er so bald nicht vergessen wird!" Am späten Abend des 22.11. stand die Marke bei weit jenseits der 69.000 Euro.

Die Reaktionen ließen nicht lang auf sich warten. Die Presse berichtete landauf, landab. Gleich waren ein paar Wutbürger zur Stelle, hielten AfD-Plakate hoch, drangsalierten Journalisten und beschimpften sie als "Arschlöcher", "Bolschewiken" und interessanterweise auch als "Jesuitenpack".

Youtube löschte zunächst den ganzen Kanal des ZpS, um ihn bald danach wieder zu installieren.

Die Kritik an der Aktion fällt leicht. Die einen hätten die nachgemachten Stelen lieber an der Baustelle zur Wiedererrichtung der Garnisonkirche Potsdam gesehen, die anderen erinnern an rhetorische Pleiten des ZpS im Zusammenhang mit dem Syrienkrieg.

Manche kritisieren die Aktion als eine Instrumentalisierung der jüdischen Opfer. Manche glauben, das ZpS mache sich mit denen gemein, die das Berliner Denkmal als Beweis für die Wiedergutwerdung Deutschlands sehen; de facto handele es sich hier um die Validierung eines Schlusspunktdiskurses. Schlechte Kunst sei das, und der "aggressive Humanismus" des ZpS bestehe ohnehin nur aus Klamauk, Selbstdarstellung und Spektakel.

Einige dieser Kritikpunkte haben mehr Substanz, andere weniger oder gar keine, aber alle gehen sie am eigentlichen Thema vorbei. Als die Antifa im Mai 2016 in Bornhagen gegen Höcke demonstrierte, war der Impuls völlig richtig: Die Kritik und den Protest in die Rückzugs- und Ruheräume der neuen Rechten zu tragen. Und genau diesem Impuls folgt auch die Aktion des ZpS. Von daher scheint kritische Solidarität angebracht.