KI-gesteuerte Tiefenhirnstimulation zur Behandlung von psychischen Krankheiten getestet

Tiefenhirnstimulation. Bild: C. Hacking, F. Gaillard/CC BY-SA-4.0

Die Stimulation soll nur dann erfolgen, wenn bestimmte Gehirnaktivitäten auftreten. Bedenken liegen auf der Hand

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Mit der Tiefenhirnstimulation oder einem "Hirnschrittmacher" werden einem Patienten Elektroden im Gehirn implantiert, die elektrische Impulse an bestimmte Areale abgeben. Behandelt werden damit Krankheiten wie Parkinson, Epilepsie oder das Tourette-Syndrom, aber auch Depressionen, Zwangsstörungen oder sogar Kopfweh.

Denkbar wäre, mit solchen Implantaten (Gehirn am Draht könnte man sagen) nicht nur Symptome von Krankheiten zu lindern, sondern auch die Leistungsfähigkeit von kognitiven Funktionen zu verbessern, wie das etwa auch mit nicht-invasiver Transkranieller Magnetstimulation des motorischen Kortex versucht wird, um motorisches Lernen, z.B. beim Schießen, zu optimieren (US-Spezialeinheiten testen Neurostimulation zur Optimierung).

Auch wenn die Tiefenhirnstimulation in Mode gekommen ist und ausprobiert wird, was man damit in Gehirnen alles therapeutisch und vielleicht auch zum Zweck der Leistungssteigerung (cognitive enhancement) bewirken kann, ist noch nicht ganz klar, wie sie überhaupt wirkt. Insofern könnte man die Tiefenhirnstimulation als eine sanfte, dafür auf Dauer gestellte Elektroschock- bzw. -krampftherapie verstehen, von der man auch nicht weiß, wie sie wirkt, wenn sie dies tut.

Die Darpa, die Forschungsbehörde des Pentagon mit dem derzeitigen Motto "Creating Breakthrough Technologies für National Security), fördert nun erstmals im Rahmen des Programms "Systems-Based Neurotechnology for Emerging Therapies" (SUBNETS) Versuche mit Gehirnimplantaten an Menschen, um damit Gemüts- und Verhaltensstörungen zu behandeln. Das Programm wurde 2013 von der Darpa ausgeschrieben, um eine "Technik für eine präzise Therapie" durch Erfassung von neuronalen Signalen und Stimulation für Menschen mit neuropsychiatrischen und neurologischen Krankheiten zu entwickeln.

Die von Wissenschaftlerteams an der University of California, San Francisco (UCSF), unter Leitung von Edward Chang, und vom Massachusetts General Hospital (MGH) in Boston eingepflanzten Rückkopplungs- oder Feedback-Implantate zeichnen neuronale Signale auf, die von einem KI-Programm nach auffälligen Mustern durchsucht werden, welche mit psychischen Störungen wie Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen, aber auch mit Gehirnschädigungen oder Suchverhalten verbunden sind.

Vorgestellt wurden die Versuche auf dem Treffen der Society for Neuroscience vergangene Woche in Washington, worüber Nature berichtete. Während die übliche Methode der Tiefenhirnstimulation konstant ein Gehirnareal stimuliert, beruht der neue Ansatz darauf, dass die Stimulation nur dann einsetzt, wenn sie notwendig ist. Entscheidend ist dabei, dass die Elektroden dort implantiert werden, wo sie die neuronale Aktivität zugleich erfassen können, wenn die Stimulation erfolgt. Beide Gruppen entwickeln die Technik durch Experimente mit Epilepsie-Patienten, denen bereits Elektroden eingepflanzt wurden, um Anfälle zu erfassen. Umgekehrt können diese Elektroden auch dem Zweck dienen zu erfassen, was geschieht, wenn das Gehirn stimuliert wird. Das wird Rückkopplungs- oder Feedback-Stimulation (closed-loop neural stimulation) genannt.

Das Team von Chang hat erste Karten davon angefertigt, welche neuronalen Aktivitätsmuster bestimmten Stimmungen entsprechen sollen. Dazu haben sie bei sechs an Epilepsie erkrankten Patienten mit implantierten Elektroden bis zu drei Wochen lang die Gehirnaktivität aufgezeichnet und deren Stimmungen beobachtet (s. etwa hier). Angeblich hätten sie nun einen Algorithmus entwickelt, mit dem sie die sich verändernden Stimmungen einer Person aus ihren Gehirnaktivitäten ablesen können. Man habe bereits auch einige Tests mit der Feedback-Stimulation gemacht, suche aber nun einen Patienten, um sie ausführlicher zu testen.

Chang geht davon aus, dass die aus Versuchen mit Menschen mit Gehirnimplantaten gewonnenen Daten dazu führen, die therapeutische Stimulation von psychisch Kranken auch nicht-invasiv ausführen zu können. Jetzt habe man erstmals ein "Fenster in das Gehirn", um zu sehen, was in ihm geschieht, wenn ein Patient einen Rückfall erleidet.

Das Team vom MGH geht nicht von der Entdeckung der Aktivitäötsmuster bestimmter Stimmungen oder psychischen Störungen aus, sie versuchen die Gehirnaktivitäten zu bestimmen, die mit bei unterschiedlichen psychischen Störungen auftretenden Verhaltensweisen auftreten. Sie berichteten von Tests der zu dem Zweck entwickelten Algorithmen, das Gehirn einer Person zu stimulieren, die von einer Aufgabe abgelenkt ist.

Das scheint dann schon eher in Richtung kognitive Optimierung auch "gesunder" Gehirne zu gehen. Werden Areale stimuliert, die bei Gefühlen und der Entscheidungsfindung beteiligt sind, dann hätte sich die Leistung deutlich verbessert. So hätten sie Gehirnaktivitäten identifiziert, die vorfallen, wenn eine Person an einer Aufgabe scheitert oder langsamer bei der Lösung wird, weil sie vergesslich oder abgelenkt ist. In diesem Fall hätten sie mit Stimulation den Prozess wieder umdrehen können. Als nächsten Schritt sollen Algorithmen getestet werden, nach denen automatisch das Gehirn aufgrund bestimmter Gehirnaktivitäten stimuliert wird.

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