SDF: Im Boot mit den USA und Russland?

YPJ-Kämpferin auf Wache, Afrin, 08.Dezember 2017. Foto: YPG Press Office, Twitter

Die nordsyrischen Kurden setzen auf die Unterstützung der beiden Großmächte

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

"Die USA liefern keine Waffen mehr an die YPG", freuten sich die türkischen regierungsnahen Medien. "Fake News", konterten die kurdischen Medien: Zwei Tage nach der Verbreitung der Nachricht sei eine große Waffenlieferung bei den SDF (Syrian Democratic Forces) angekommen. Nun ließ auch der Kreml verlautbaren, den Verbund von kurdischen, arabischen, turkmenischen und ezidischen Einheiten zu unterstützen. Aber wie passt das mit Erdogans Ziel, Nordsyrien von den YPG/YPJ-Einheiten zu "säubern" zusammen?

Entgegen den Behauptungen einiger Journalisten und Journalistinnen, die Kurden seien die fünfte Kolonne Amerikas, scheint es schon länger eine Zusammenarbeit zwischen Russland, den USA und den SDF zu geben. Im Juli dieses Jahres berichtete ein Reporter des Independent von regelmäßigen Absprachen zwischen SDF, russischen und amerikanischen Militärs.

60 km südlich von Rakka wurde in der Ortschaft Resafa eine gemeinsame Kommandozentrale eingerichtet, berichtete der Reporter, der selbst an den Treffen vor Ort teilnahm. Eine weitere Zentrale soll es auch in Afrin im Nordwesten Syriens geben. In dem von den kurdischen YPG/YPJ - Militärs kontrollierten Kanton Afrin unterhält Russland den Luftwaffenstützpunkt Minnagh.

Dort posierten im März 2017 russische Kommandeure vor YPG-Flaggen und Plakaten des inhaftierten Führers der PKK, Abdullah Öcalan. Der russische General Alexei Kim ließ sich unlängst mit dem YPG-Sprecher Nuri Mahmoud vor der YPG-Fahne und russischen Flaggen auf dem russischen Hmimeem-Stützpunkt fotografieren. In einer gemeinsamen Erklärung gaben sie die Übernahme der östlichen Gebiete von Deir el-Zour durch die SDF bekannt - mit der gemeinsamen Unterstützung der US-geführten Koalition und Russland durch Luftangriffe gegen IS-Stellungen.

Am 4. Dezember gab Generalmajor Jewgenij Poplawski in einer Erklärung bekannt, russische Kampfflugzeuge hätten 672 Missionen geflogen, um die SDF-Einheiten bei der Bekämpfung des IS in der Provinz Deir el Zor zu unterstützen Russland hatte bislang in der Region Deir el Zor die syrische Armee westlich des Euphrats gegen den IS unterstützt.

Nun wurde dies auf die SDF östlich des Euphrats ausgeweitet. In der Stadt Al-Salihiyah in der Region Deir el Zor fand ein weiteres Treffen statt, an dem der YPG-Oberkommandierende Sipan Hemo teilnahm. Dort wurde die Errichtung eines gemeinsamen Operationszentrums beschlossen.

Die russische Unterstützung der kurdischen YPG/YPJ und den SDF steht allerdings in krassem Gegensatz zu den türkischen Plänen im Nordwesten Syriens.

Afrin unter türkischem Beschuss

Dort versucht Erdogans Armee nach wie vor in der Provinz Idlib und im angrenzenden Kanton Afrin der "Demokratischen Föderation Nordsyrien", Fuß zu fassen um seinem neo-osmanischem Ziel einer "Großtürkei" näher zu kommen. Seine Vision ist sehr anschaulich auf einer Karte des Internetblogs "geopolitical futures" zu sehen.

Aber nicht nur der syrische Präsident Assad erteilt diesem Begehren eine Abfuhr, auch Russland weist Erdogan in seine Grenzen. Der Plan Erdogans, den von der YPG/YPJ kontrollierten Kanton Afrin zu erobern, droht zu scheitern, weil Russland nicht gewillt ist, Erdogan grünes Licht für eine solche Operation zu geben.

Im Moment kontrolliert Russland den Luftraum über Idlib und Afrin. Dem Wunsch Erdogans, seinerseits diesen Luftraum zu kontrollieren, wurde bislang nicht stattgegeben. Russland scheint begriffen zu haben, dass auf Verhandlungsergebnisse mit der Türkei kein Verlass ist. So scheint auch die Vereinbarung in Astana der Vergangenheit anzugehören.

Dort wurde zwischen Russland, Iran und der Türkei vereinbart, keine neuen Konfliktzonen zu schaffen. Die Türkei sollte in Idlib zwischen den verschiedenen islamistischen Milizen vermitteln und die Entwicklungen beobachten. Stattdessen marschierte sie mit Panzern und Artillerie in die Region ein, hisste die türkische Flagge und schickt sich an dort eine türkische Verwaltung zu etablieren.

Türkische Drohnen überfliegen immer wieder den Kanton Afrin, zuletzt griffen türkische Proxy-Gruppen mehrere Dörfer in der Region mit Artillerie an. Die Angriffe konnten bisher durch die YPG/YPJ abgewehrt werden. In den Abendstunden des 3. Dezember versuchten türkische Soldaten, über den im Raco-Gebiet im Kreis Bilbil bei Afrin liegenden Berg Gir einzudringen. Auch hier gelang es der YPG, die türkischen Soldaten zurück zu drängen.

Zu den russischen und amerikanischen Willensbekundungen, die YPG/YPJ, bzw. die SDF auch nach dem Sieg über den IS in Syrien weiter unterstützen zu wollen hat sich die türkische Regierung noch nicht geäußert. Sie betont nach wie vor die gute Zusammenarbeit zwischen Russland, Iran und der Türkei in der Syrienfrage.

Die türkischen Medien sind weiterhin bemüht, von den innenpolitischen Desastern abzulenken und die vermeintlich wichtige Rolle der Türkei im Friedensprozess herauszustellen. Dabei wird kräftig am Bild der "bösen" Kurden gebastelt. Schadenfroh berichteten türkische Medien vor einem Monat von einem angeblich desertierten Kommandeur der SDF.