Wald unter Stress

Teutoburger Wald. Foto: Nikater / gemeinfrei

Sie sind Lebens- und Erholungsraum und sollen viel Holz liefern. Doch setzen den Wäldern Raubbau, Klimawandel und Schädlinge zu. Wie sähe ein guter Umgang aus?

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Hitze, Trockenheit und Spätfröste setzen den Wäldern zu. In milden Wintern breitet sich der Borkenkäfer explosionsartig aus. Und neue Schädlinge wie der Asiatische Laubholzbock befallen gesunde Bäume. Das bestätigt der im November veröffentlichte Bayerische Waldbericht 2017. Nur langsam erholt sich der Wald in Bayern vom Hitzesommer 2015.

Probleme bereiten vor allem auch die Folgeschäden durch Stürme, Unwetter und Schädlingsbefall. So leiden nahezu zwei Drittel aller Eschen unter dem so genannten Eschentriebsterben, ausgelöst durch ein aus Asien eingewanderten Pilz. Auffällig hoch war nach den sommerlichen Hitzeperioden der beiden Jahre davor auch der Befall durch Prachtkäfer, deren massenhaftes Auftreten bereits geschädigte Eichen, Buchen und Kiefern endgültig absterben. Etwas besser belaubt waren in diesem Jahr die Buchen, im Jahr davor hatten sie noch Schaden durch Fröste genommen.

Auch in Rheinland-Pfalz ging - dem rheinischen Waldzustandsbericht zufolge - der Anteil der beschädigten Bäume leicht zurück. Verschlechtert hat sich allerdings der Kronenzustand von Eiche, Kiefer, Douglasie und Lärche. Vor allem wegen der langen trockenen Phasen sind 73 Prozent der Bäume mindestens leicht beschädigt. Außerdem sind die Luftschadstoffeinträge viel zu hoch. So übersteigt die Säurebelastung das Pufferpotenzial vieler Waldstandorte. Ähnliches gilt für die Ozonwerte, die so hoch sind, dass sie den Wald schädigen.

Wie viele Eingriffe verkraftet ein Wald?

Jahrzehntelang wurde in Nordrhein-Westfalen im waldreichen Sauerland und Siegerland mit Monokultur Fichte aufgeforstet. Das Geschäft mit dem Holz brachte der Region hohe Gewinne - bis zum Januar 2007, als unter der Wucht des Orkanes Kyrill die flach wurzelnden Fichten reihenweise wie Streichhölzer umknickten: Viel zu dicht gepflanzt, konnten sie keine stabilen Äste ausbilden.

Damals setzte bei den Forstleuten ein Umdenken ein: Innerhalb der folgenden zehn Jahre forsteten sie die Wälder mit 13 verschiedene Baumarten auf, vor allem mit Laubbäumen. Wo einst nur Fichten standen, rauscht der Wind heute durch Douglasien, Küstentannen, Weißtannen, Lärchen und Schwarzkiefern. Einige Flächen blieben sogar sich selbst überlassen. So entstand ein stabiler, strukturreicher Wald, der resistent gegenüber Stürmen ist.

Fred Josef Hansen von den Grünen ist sogar der Ansicht, dass Kyrill die Entwicklung der Biodiversität beschleunigt hat: Nach dem Sturm drangen Licht und Sonne an die kahlen Stellen und hätten das Bodenwachstum angeregt. Dann kamen die Insekten, denen Zaunkönige und Spechte folgten.

Das klingt erstmal gut. Allerdings werden längst nicht alle Wälder in NRW naturnah bewirtschaftet. Immerhin werden in dem Bundesland die meisten Weihnachtsbäume kultiviert: Auf insgesamt 18.000 Hektar, 12.000 Hektar davon im Sauerland, wachsen hauptsächlich Nordmanntannen und Blaufichten. Und dabei werden eine Menge Pestizide versprüht, die sich in den Nadeln anreichern. So wurden in einem Labortest in Tannennadeln sechs verschiedene Chemikalien gefunden, darunter auch Glyphosat.

Die Fichte als Verlierer des Klimawandels

Ungewöhnlich früh tobte in diesem Jahr der Orkan Xavier durchs Land. In Brandenburg beschädigte der Sturm in dem 1,1 Millionen Hektar umfassenden Wald schätzungsweise 1,5 bis 2 Millionen Bäume. Dies entspricht etwa einem Viertel der jährlichen Erntemenge von rund 4,5 Millionen Festmeter Holz, bei einem Wert von rund 48 Millionen Euro.

Das vom Sturm umgebrochene Holz wurde unter schwierigen Bedingungen aufgearbeitet und an die Holzindustrie geliefert. Die Fichte, die es eher kühl und feucht mag, leidet besonders unter den steigenden Temperaturen, erklärt Forstwissenschaftler Stefan Adler in einem Interview mit dem WDR.

In Deutschland pflanzte man sie dorthin, wo sie natürlicherweise gar nicht vorkommt, sondern wo eigentlich Laubbäume wachsen müssten. Nahezu die Hälfte der Waldflächen wurde mit Kiefern und Fichten aufgeforstet, eignen sich doch die schnell wachsenden Baumarten am besten zur Herstellung von Papier, Möbeln und für Brennholz.

Während mehrwöchiger Hitze und Trockenheit ist im Sommer der ganze Waldbestand gefährdet. Bei Extremwetter wie Hochwasser und Trockenheit leiden die Bäume zusätzlich unter Insektenplagen. Wenn dann Insektizide gegen den Schädlingsbefall eingesetzt werden, sind viele andere Arten vom Gifteinsatz mit betroffen.

Gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Göttingen und Eberswalde untersucht Stefan Adler im Rahmen eines NABU-Projektes, wie das Ökosystem Wald möglichst kostengünstig stabiler werden kann. Im Fokus steht das Waldbinnenklima. Dieses wird durch Art und Menge der Pflanzen beeinflusst, welche Sonnenenergie aufnehmen und in Biomasse umwandeln.

In einem gesunden Wald sollte die Luftfeuchtigkeit auch bei wochenlanger Trockenheit relativ hoch sein. Je geringer die Schwankungen zwischen Temperatur und Luftfeuchtigkeit, umso stabiler ist das Klima gegen äußere Einflüsse. Anhand von Messungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit in einem Kiefernwald des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin will man nun herausfinden, wie groß die Temperaturschwankungen im Wald tatsächlich sind.

Außerdem ist in natürlichen Wäldern der Anteil an Totholz fünf bis zehn Mal höher als in Wirtschaftswäldern, denen, nachdem das gesamte Holz herausgeholt wurde, das verrottende Holz als Lebensraum für diverse Käfer- und Pilzarten fehlt. Außerdem leiden die Waldböden unter Nährstoffarmut, was langfristig die Gesundheit des Waldes gefährdet. An gefällten und liegen gelassenen Bäumen wollen die Wissenschaftler untersuchen, inwieweit Totholz Wasser speichern kann, um zum Beispiel Hitze und Trockenheit abzupuffern.

Ein weiteres Problem ist, dass die Bäume normalerweise mit schweren Maschinen aus dem Wald geholt werden. Dabei wird der Waldboden extrem verdichtet, die Mikroporen werden zerdrückt, so dass der Sauerstoff im Boden verloren geht. Damit büßt der Boden unter anderem seine Fähigkeit ein, Wasser zu speichern.

Doch gerade während langer Trockenperioden sind die Bäume auf das im Boden gespeicherte Wasser angewiesen. Bei Starkregen fließt das Wasser zu schnell ab. Um diese negativen Effekte zu vermeiden, werden im Forschungsprojekt Pferde zum Holzrücken eingesetzt.