Politik der "Zeichensetzung"

Grafik: TP

Die FDP stellt im Bundestag einen Antrag auf Abschaffung des Social-Media-Zensurgesetzes NetzDG und der Vorratsdatenspeicherung

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Am Samstag twitterte der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner, das "erste Gesetz", dass die neue FDP-Fraktion nächste Woche in den Bundestag einbringen werde, sei in "Bürgerrechtestärkungsgesetz zur Abschaffung von #VDS und #NetzDG." FDP-Generalsekretärin Nicola Beer verlautbarte am gleichen Tag sogar: "Unser Antrag zur Abschaffung des #NetzDG ist gestellt!", was nach Auskunft der FDP-Pressestelle gegenüber Telepolis etwas missverständlich war, weil Lindners Formulierung besser zutrifft.

In Sozialen Medien erzeugte die Ankündigung unterschiedliche Reaktionen: Viele Nutzer gratulierten den Liberalen - andere gaben sich skeptisch und wiesen darauf hin, dass der Antrag wahrscheinlich mit den Stimmen von CDU, CSU und SPD abgelehnt wird, weshalb er Symbolpolitik sei, die "nichts kostet". Sie erinnerten an Äußerungen von FDP-Politikern während der Jamaika-Sondierungsgespräche, wo sich die Liberalen mit einer "grundlegend Überarbeitung" des Gesetzes zufrieden gegeben hatten (vgl. "Endstation Postenstrich"?).

Abgrenzung

Wieder andere Social-Media-Nutzer fragten sich, warum die FDP-Fraktion sich nicht dem bereits am 20. November eingebrachten Gesetzentwurf 19/81 der AfD-Fraktion anschließt, der am Mittwoch zusammen mit einem Gesetzentwurf der Linksfraktion für eine "Teilaufhebung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes" im Bundestag debattiert wird. Dafür stimmt die FDP nicht, weil sie sich von der AfD (die einer schwarz-gelben Koalition eine Duldung angeboten hat) distanzieren will.

Aus demselben Grund will Lindner den Bundestag erst im nächsten Jahr "über einen fraktionsübergreifenden Vorstoß zur weiteren Aussetzung des Familiennachzugs beraten" lassen. Die FDP, so ihr Bundesvorsitzender, sei nämlich "an einer Mehrheit ohne AfD" interessiert, weshalb sie der Union Zeit geben wolle, "eine gemeinsame Position mit den Grünen [zu] erreichen." CDU-Innenminister Thomas de Maizière denkt dagegen bezüglich einer "Verständigung" zum Familiennachzug in erster Linie an den neuen Gesprächspartner SPD, meint aber, es könnten noch "weitere Fraktionen eingebunden werden". Von der AfD werde man sich "nicht abhängig machen".

Sozialdemokraten versuchen den Eindruck zu vermeiden, zu leicht zu haben zu sein

Auch de Maizières nach dem Abbruch der Jamaika-Sondierungen bekannt gewordene Forderung nach Pflicht-Hintertüren in elektronischen Geräten (vgl. "Hehre Ziele, aber technisch nicht verstanden"), die angeblich nicht zur nur zur Verfolgung von "Hate Speech", sondern nur gegen "schwerere Kriminalität" eingesetzt werden sollen, dürfte eher mit SPD-Politikern wie Heiko Maas als mit den Liberalen zu verwirklichen sein.

Bei den Sozialdemokraten betont man nach dem am Freitag gegebenen Licet für Regierungsbildungsgespräche mit der Union (vgl. Von der Arbeiterpartei zur EU-Partei), dass diese "ergebnisoffen" seien und dass man sich parallel dazu auch auf einen neuen Wahlkampf vorbereite. Außerdem hat man der aus der letzten großen Koalition übrig gebliebenen Forderung nach einer Bürgerversicherung nach österreichischem Vorbild noch die europapolitischen Wünsche des französischen Staatspräsidenten hinzugefügt, die der SPD-Vorsitzende Martin Schulz in Koalitionsverhandlungen als "Kernelement" hervorheben will (vgl. Macron fordert Schulz auf, mit Merkel zu koalieren).

Altmaier versucht Sozialdemokraten quotenpolitisch zu überholen

In der Union macht der Kanzlerinnenflügel bislang wenig Anstalten, sich gegen diese Forderungen zu sträuben. Stattdessen versuchte Kanzleramtschef Altmaier die Sozialdemokraten quotenpolitisch zu überholen, indem er verlautbarte, man solle das nächste Kabinett zur Hälfte mit Frauen zu besetzen. Die darauf folgende Frage des NZZ-Journalisten Marc Felix Serrao, ob er seinen Posten dann freiwillig räumen wird, ließ Altmaier unbeantwortet.

Widerstand kommt bislang vor allem vom Merkel-Rivalen Jens Spahn (der am Wochenende öffentlich die Vorzüge einer Minderheitsregierung pries) und aus der zerstrittenen CSU, in der der designierte bayerische Ministerpräsidentennachfolger Markus Söder die Kernforderungen der SPD öffentlich ablehnte, nachdem sein Noch-Parteichef Horst Seehofer betont hatte, in den Gesprächen mit der SPD habe weiterhin er selbst das Sagen.